Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 042 |
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| 01 | wie sie alsbald nach dem Anfange beschaffen ist, eben dieselbe Bestimmungen | ||||||
| 02 | und Eigenschaften, auch eben dieselbe Folgerungen hat, als | ||||||
| 03 | diejenige Linie, die eine Bewegung lange nach dem Anfange andeutet: | ||||||
| 04 | so wird die Kraft, die man in einer mathematischen Betrachtung der | ||||||
| 05 | Bewegung eines Körpers herausbringt, niemals andere Eigenschaften | ||||||
| 06 | haben, als diejenige hat, die auch in der kleinsten Zeit, das ist in | ||||||
| 07 | einer unendlich kleinen Zeit, von dem Anfangsaugenblicke an in dem | ||||||
| 08 | Körper vorhanden ist. Da dieses nun eine todte Kraft ist und daher | ||||||
| 09 | das Maß der schlechten Geschwindigkeit an sich hat, so werden alle | ||||||
| 10 | und jede mathematisch erwogene Bewegungen keine andere Schätzung | ||||||
| 11 | als einzig und allein die nach der bloßen Geschwindigkeit darlegen. | ||||||
| 12 | § 29. |
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| 13 | Wir wissen demnach, noch ehe wir uns in eine nähere Untersuchung | ||||||
| 14 | der Sache einlassen, daß Leibnizens Anhänger, weil sie sich | ||||||
| 15 | mit solchen Waffen vertheidigen wollen, die von der Natur ihrer Sache | ||||||
| 16 | weit entfernt sind, in dem berüchtigten Streite wider Cartesen unterliegen | ||||||
| 17 | werden. Nach dieser allgemeinen Betrachtung wollen wir die | ||||||
| 18 | Beweise insbesondere in Erwägung ziehen, deren sich Leibnizens Partei | ||||||
| 19 | hauptsächlich in dieser Streitsache bedient hat. | ||||||
| 20 | Der Herr von Leibniz ist durch dasjenige, was man bei dem | ||||||
| 21 | Falle der Körper durch ihre Schwere wahrnimmt, zuerst auf seine | ||||||
| 22 | Meinung geleitet worden. Allein es war ein unrecht angewandter | ||||||
| 23 | Grundsatz des Cartes, der ihn zu einem Irrthum führte, welcher | ||||||
| 24 | nach der Zeit vielleicht der scheinbarste geworden, welcher sich jemals | ||||||
| 25 | in die menschliche Vernunft eingeschlichen hat. Er setzte nämlich folgenden | ||||||
| 26 | Satz fest: Es ist einerlei Kraft nöthig, einen vier Pfund | ||||||
| 27 | schweren Körper einen Schuh hoch zu heben, als einen einpfündigen | ||||||
| 28 | vier Schuhe. | ||||||
| 29 | § 30. |
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| 30 | Weil er sich auf den Beifall aller Mechaniker seiner | Der Satz, der | |||||
| 31 | Zeit beruft, so dünkt mich, er habe diesen Satz aus einer | den Herrn von | |||||
| 32 | Regel des Cartes gefolgert, deren dieser sich bediente, | Leibniz zuerst | |||||
| 33 | die Natur des Hebels zu erklären. Cartes nahm an, | auf die lebendigen | |||||
| 34 | daß die an einen Hebel angehangene Gewichte die unendlich | Kräfte | |||||
| 35 | kleinen Räume durchliefen, die in ihrer Entfernung | gebracht hat. | |||||
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