Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 168

     
           
 

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  01 offenbart anerkennen. Nur zum Behuf einer Kirche, deren es verschiedene      
  02 gleich gute Formen geben kann, kann es Statuten, d. i. für göttlich gehaltene      
  03 Verordnungen, geben, die für unsere reine moralische Beurtheilung      
  04 willkürlich und zufällig sind. Diesen statutarischen Glauben nun (der      
  05 allenfalls auf ein Volk eingeschränkt ist und nicht die allgemeine Weltreligion      
  06 enthalten kann) für wesentlich zum Dienste Gottes überhaupt zu      
  07 halten und ihn zur obersten Bedingung des göttlichen Wohlgefallens am      
  08 Menschen zu machen, ist ein Religionswahn *), dessen Befolgung ein      
  09 Afterdienst, d. i. eine solche vermeintliche Verehrung Gottes ist, wodurch      
  10 dem wahren, von ihm selbst geforderten Dienste gerade entgegen gehandelt      
  11 wird.      
           
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§ 1.

     
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Vom allgemeinen subjectiven Grunde des Religionswahnes.

     
           
  14 Der Anthropomorphism, der in der theoretischen Vorstellung von      
  15 Gott und seinem Wesen den Menschen kaum zu vermeiden, übrigens aber      
  16 doch (wenn er nur nicht auf Pflichtbegriffe einfließt) auch unschuldig genug      
  17 ist, der ist in Ansehung unsers praktischen Verhältnisses zu seinem Willen      
  18 und für unsere Moralität selbst höchst gefährlich; denn da machen wir      
  19 uns einen Gott ), wie wir ihn am leichtesten zu unserem Vortheil gewinnen      
           
    *) Wahn ist die Täuschung, die bloße Vorstellung einer Sache mit der Sache selbst für gleichgeltend zu halten. So ist es bei einem kargen Reichen der geizende Wahn, daß er die Vorstellung, sich einmal, wenn er wollte, seiner Reichthümer bedienen zu können, für genugsamen Ersatz dafür hält, daß er sich ihrer niemals bedient. Der Ehrenwahn setzt in anderer Hochpreisung, welche im Grunde nur die äußere Vorstellung ihrer (innerlich vielleicht gar nicht gehegten) Achtung ist, den Werth, den er bloß der letzteren beilegen sollte; zu diesem gehört also auch die Titel= und Ordenssucht, weil diese nur äußere Vorstellungen eines Vorzugs vor andern sind. Selbst der Wahnsinn hat daher diesen Namen, weil er eine bloße Vorstellung (der Einbildungskraft) für die Gegenwart der Sache selbst zu nehmen und eben so zu würdigen gewohnt ist. - Nun ist das Bewußtsein des Besitzes eines Mittels zu irgend einem Zweck (ehe man sich jenes bedient hat) der Besitz des letztern bloß in der Vorstellung; mithin sich mit dem ersteren zu begnügen, gleich als ob es statt des Besitzes des letzteren gelten könne, ein praktischer Wahn; als von dem hier allein die Rede ist.      
           
    *†) Es klingt zwar bedenklich, ist aber keinesweges verwerflich, zu sagen: daß ein jeder Mensch sich einen Gott mache, ja nach moralischen Begriffen (begleitet mit den unendlich=großen Eigenschaften, die zu dem Vermögen gehören, an der Welt einen jenen angemessenen Gegenstand darzustellen) sich einen solchen selbst machen [Seitenumbruch] * müsse, um an ihm den, der ihn gemacht hat, zu verehren. Denn auf welcherlei Art auch ein Wesen als Gott von einem anderen bekannt gemacht und beschrieben worden, ja ihm ein solches auch (wenn das möglich ist) selbst erscheinen möchte, so muß er diese Vorstellung doch allererst mit seinem Ideal zusammen halten, um zu urtheilen, ob er befugt sei, es für eine Gottheit zu halten und zu verehren. Aus bloßer Offenbarung, ohne jenen Begriff vorher in seiner Reinigkeit, als Probirstein, zum Grunde zu legen, kann es also keine Religion geben, und alle Gottesverehrung würde Idololatrie sein.      
           
     

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