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Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 166 |
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Text (Kant): |
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ein Stück der Religion selbst, für alle Zeiten und Völker geltend, genommen, |
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so daß man glauben sollte, ein jeder Christ müßte ein Jude |
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sein, dessen Messias gekommen ist; womit aber nicht wohl zusammenhängt, |
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daß er doch eigentlich an kein Gesetz des Judenthums (als |
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statutarisches) gebunden sei, dennoch aber das ganze heilige Buch dieses |
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Volks als göttliche, für alle Menschen gegebene Offenbarung gläubig annehmen |
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müsse. †) - Nun setzt es sogleich mit der Authenticität dieses |
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Buchs (welche dadurch, daß Stellen aus demselben, ja die ganze darin |
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vorkommende heilige Geschichte in den Büchern der Christen zum Behuf |
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dieses ihres Zwecks benutzt werden, lange noch nicht bewiesen ist) viel |
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Schwierigkeit. Das Judenthum war vor Anfange und selbst dem schon |
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ansehnlichen Fortgange des Christenthums ins gelehrte Publicum |
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noch nicht eingetreten gewesen, d. i. den gelehrten Zeitgenossen anderer |
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Völker noch nicht bekannt, ihre Geschichte gleichsam noch nicht controlirt |
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und so ihr heiliges Buch wegen seines Alterthums zur historischen Glaubwürdigkeit |
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gebracht worden. Indessen, dieses auch eingeräumt, ist es |
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nicht genug, es in Übersetzungen zu kennen und so auf die Nachkommenschaft |
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zu übertragen, sondern zur Sicherheit des darauf gegründeten |
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Kirchenglaubens wird auch erfordert, daß es auf alle künftige Zeit und |
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*†) Mendelssohn benutzt diese schwache Seite der gewöhnlichen Vorstellungsart des Christenthums auf sehr geschickte Art, um alles Ansinnen an einen Sohn Israels zum Religionsübergange völlig abzuweisen. Denn, sagte er, da der jüdische Glaube selbst nach dem Geständnisse der Christen das unterste Geschoß ist, worauf das Christenthum als das obere ruht: so sei es eben so viel, als ob man jemanden zumuthen wollte, das Erdgeschoß abzubrechen, um sich im zweiten Stockwerk ansässig zu machen. Seine wahre Meinung aber scheint ziemlich klar durch. Er will sagen: schafft ihr erst selbst das Judenthum aus eurer Religion heraus (in der historischen Glaubenslehre mag es als eine Antiquität immer bleiben), so werden wir euren Vorschlag in Überlegung nehmen können. (In der That bliebe alsdann wohl keine andere als rein=moralische, von Statuten unbemengte Religion übrig). Unsere Last wird durch Abwerfung des Jochs äußerer Observanzen im mindesten nicht erleichtert, wenn uns dafür ein anderes, nämlich das der Glaubensbekenntnisse heiliger Geschichte, welches den Gewissenhaften viel härter drückt, aufgelegt wird. Übrigens werden die heiligen Bücher dieses Volks, wenn gleich nicht zum Behuf der Religion, doch für die Gelehrsamkeit wohl immer aufbehalten und geachtet bleiben: weil die Geschichte keines Volks mit einigem Anschein von Glaubwürdigkeit auf Epochen der Vorzeit, in die alle uns bekannte Profangeschichte gestellt werden kann, so weit zurück datirt ist als diese (sogar bis zum Anfange der Welt), und so die große Leere, welche jene übrig lassen muß, doch wodurch ausgefüllt wird. |
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