Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 120 |
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01 | einen Gegenstand auch ohne dessen Gegenwart in der Anschauung | ||||||
02 | vorzustellen. Da nun alle unsere Anschauung sinnlich ist, so gehört die | ||||||
03 | Einbildungskraft der subjectiven Bedingung wegen, unter der sie allein | ||||||
04 | den Verstandesbegriffen eine correspondirende Anschauung geben kann, | ||||||
05 | zur Sinnlichkeit; so fern aber doch ihre Synthesis eine Ausübung der | ||||||
06 | Spontaneität ist, welche bestimmend und nicht wie der Sinn bloß bestimmbar | ||||||
07 | ist, mithin a priori den Sinn seiner Form nach der Einheit der Apperception | ||||||
08 | gemäß bestimmen kann, so ist die Einbildungskraft so fern ein | ||||||
09 | Vermögen, die Sinnlichkeit a priori zu bestimmen, und ihre Synthesis | ||||||
10 | der Anschauungen, den Kategorien gemäß, muß die transscendentale | ||||||
11 | Synthesis der Einbildungskraft sein, welches eine Wirkung des Verstandes | ||||||
12 | auf die Sinnlichkeit und die erste Anwendung desselben (zugleich | ||||||
13 | der Grund aller übrigen) auf Gegenstände der uns möglichen Anschauung | ||||||
14 | ist. Sie ist als figürlich von der intellectuellen Synthesis ohne alle Einbildungskraft, | ||||||
15 | bloß durch den Verstand, unterschieden. So fern die Einbildungskraft | ||||||
16 | nun Spontaneität ist, nenne ich sie auch bisweilen die productive | ||||||
17 | Einbildungskraft und unterscheide sie dadurch von der reproductiven, | ||||||
18 | deren Synthesis lediglich empirischen Gesetzen, nämlich denen | ||||||
19 | der Association, unterworfen ist, und welche daher zur Erklärung der | ||||||
20 | Möglichkeit der Erkenntniß a priori nichts beiträgt und um deswillen nicht | ||||||
21 | in die Transscendentalphilosophie, sondern in die Psychologie gehört. | ||||||
22 | Hier ist nun der Ort, das Paradoxe, was jedermann bei der Exposition | ||||||
23 | der Form des inneren Sinnes (§ 6) auffallen mußte, verständlich | ||||||
24 | zu machen: nämlich wie dieser auch sogar uns selbst, nur wie wir uns erscheinen, | ||||||
25 | nicht wie wir an uns selbst sind, dem Bewußtsein darstelle, weil | ||||||
26 | wir nämlich uns nur anschauen, wie wir innerlich afficirt werden, welches | ||||||
27 | widersprechend zu sein scheint, indem wir uns gegen uns selbst als | ||||||
28 | leidend verhalten müßten; daher man auch lieber den innern Sinn mit | ||||||
29 | dem Vermögen der Apperception (welche wir sorgfältig unterscheiden) | ||||||
30 | in den Systemen der Psychologie für einerlei auszugeben pflegt. | ||||||
31 | Das, was den inneren Sinn bestimmt, ist der Verstand und dessen | ||||||
32 | ursprüngliches Vermögen das Mannigfaltige der Anschauung zu verbinden, | ||||||
33 | d. i. unter eine Apperception (als worauf selbst seine Möglichkeit beruht) | ||||||
34 | zu bringen. Weil nun der Verstand in uns Menschen selbst kein | ||||||
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