Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 117 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | erstlich der Begriff, dadurch überhaupt ein Gegenstand gedacht wird (die | ||||||
02 | Kategorie), und zweitens die Anschauung, dadurch er gegeben wird; denn | ||||||
03 | könnte dem Begriffe eine korrespondirende Anschauung gar nicht gegeben | ||||||
04 | werden, so wäre er ein Gedanke der Form nach, aber ohne allen Gegenstand | ||||||
05 | und durch ihn gar keine Erkenntniß von irgend einem Dinge möglich, | ||||||
06 | weil es, so viel ich wüßte, nichts gäbe, noch geben könnte, worauf | ||||||
07 | mein Gedanke angewandt werden könne. Nun ist alle uns mögliche Anschauung | ||||||
08 | sinnlich (Ästhetik), also kann das Denken eines Gegenstandes | ||||||
09 | überhaupt durch einen reinen Verstandesbegriff bei uns nur Erkenntniß | ||||||
10 | werden, so fern dieser auf Gegenstände der Sinne bezogen wird. Sinnliche | ||||||
11 | Anschauung ist entweder reine Anschauung (Raum und Zeit) oder | ||||||
12 | empirische Anschauung desjenigen, was im Raum und der Zeit unmittelbar | ||||||
13 | als wirklich, durch Empfindung, vorgestellt wird. Durch Bestimmung | ||||||
14 | der ersteren können wir Erkenntnisse a priori von Gegenständen (in der | ||||||
15 | Mathematik) bekommen, aber nur ihrer Form nach als Erscheinungen; | ||||||
16 | ob es Dinge geben könne, die in dieser Form angeschaut werden müssen, | ||||||
17 | bleibt doch dabei noch unausgemacht. Folglich sind alle mathematische | ||||||
18 | Begriffe für sich nicht Erkenntnisse, außer so fern man voraussetzt, daß es | ||||||
19 | Dinge giebt, die sich nur der Form jener reinen sinnlichen Anschauung | ||||||
20 | gemäß uns darstellen lassen. Dinge im Raum und der Zeit werden | ||||||
21 | aber nur gegeben, so fern sie Wahrnehmungen (mit Empfindung begleitete | ||||||
22 | Vorstellungen) sind, mithin durch empirische Vorstellung. Folglich verschaffen | ||||||
23 | die reinen Verstandesbegriffe, selbst wenn sie auf Anschauungen | ||||||
24 | a priori (wie in der Mathematik) angewandt werden, nur so fern Erkenntniß, | ||||||
25 | als diese, mithin auch die Verstandesbegriffe vermittelst ihrer auf empirische | ||||||
26 | Anschauungen angewandt werden können. Folglich liefern uns | ||||||
27 | die Kategorien vermittelst der Anschauung auch keine Erkenntniß von | ||||||
28 | Dingen, als nur durch ihre mögliche Anwendung auf empirische Anschauung, | ||||||
29 | d. i. sie dienen nur zur Möglichkeit empirischer Erkenntniß. | ||||||
30 | Diese aber heißt Erfahrung. Folglich haben die Kategorien keinen | ||||||
31 | anderen Gebrauch zum Erkenntnisse der Dinge, als nur so fern diese als | ||||||
32 | Gegenstände möglicher Erfahrung angenommen werden. | ||||||
33 | § 23. |
||||||
34 | Der obige Satz ist von der größten Wichtigkeit; denn er bestimmt | ||||||
35 | ebenso wohl die Grenzen des Gebrauchs der reinen Verstandesbegriffe in | ||||||
[ Seite 116 ] [ Seite 118 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |