Kant: Briefwechsel, Brief 871, An Samuel Thomas Soemmerring. (Entwurf.)

     
           
 

 

 

 

 

 
  An Samuel Thomas Soemmerring.      
  (Entwurf.)      
           
  [4. Aug. 1800.]      
           
  An HEn Hofrath Soemmering in Frankf. am Mayn.      
  Geliebter und hochgeschätzter Freund!      
  Ihren Brief vom 3ten. May 1800 allererst den 4ten August beantwortet      
  zu haben unerachtet er mit kostbaren litterärischen Geschenken      
  begleitet war, als      
  "Soemering Icones embryonum humanorum      
  eju[s]d. Tabula Baseos Encephali      
  Hiebey ein gebundenes Buch vom Bau des menschlichen Körpers      
  Fünften Theils erste Abtheilung "Hirn und Nervenlehre zweyte      
  umgearbeitete Ausgabe"      
  welche (nämlich die Icones ) ich mir die Erlaubnis genommen habe sie      
  meinem lieben gründlich gelehrten in England zum Doct. Med. creirten      
           
  und in Berlin den Cursus rühmlich verrichteten, jetzt in Königsberg mit      
  großem Beyfall practisirenden Freu[n]de D. Motherby zum Geschenck zu      
  machen mir die Freyheit genommen habe und [dessen] Ansicht ich hiebey      
  die Beurtheilung Ihrer Ideen so viel an mir ist zu benutzen Gelegenheit      
  habe      
           
  diesen Brief sage ich so spät zu beantworten würde unverzeihliche      
  Nachläßigkeit seyn wenn ich nicht diese Zeit hindurch unter der Last      
  einer den Gebrauch meines Kopfs zwar nicht schwächenden aber im      
  hohen Grad hemmenden Unpäßlichkeit läge die ich keiner Ursache als      
  der wohl schon 4 Iahre hindurch fortgewährten Luftelectricität zuzuschreiben      
  weiß welche mein Nervensystem (einem Gehirnkrampf ähnlich)      
  afficirt indirect aber auch die mechanische Muskelkräfte der Bewegung      
  (das Gehen) in meinen 77 Lebensjahre bey sonstiger nicht krankhafter      
  Leibesbeschaffenheit beynahe unmöglich macht.      
           
  "Diesen Brief nicht früher beantwortet beantwortet zu haben      
  werden Sie mir unter diesen Umständen gütigst verzeihen."      
           
  Nun zur Sache nämlich die an mich ergehende Anforderung selbst.      
  Eine Erklärung meinerseits daß ich gar nicht gesonnen sey mir durch      
  meinen Brief zu verstehen zu geben daß Sie Ihr Werk als etwas      
  Absurdes ja nicht drucken lassen sollten und daß ich es einmal      
  bey Gelegenheit äußerte.      
           
  Nun bin ich hiezu gerne erbötig weil ich mir bewust bin daß dergleichen      
  mir gar nie [in] den Sinn hat kommen können. Aber die      
  Gelegenheit dazu muß ich mir dazu erbitten. Sie würde in den Iahrbüchern      
  der preuß[ischen] Monarchie die bey Unger in Berlin herauskommt      
  genommen werden wenn ich nur nicht von diesem Vorfall in      
  der größten Unkunde wäre . . .      
           
           
           
     

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