Kant: Briefwechsel, Brief 786, Von Reinhold Bernhard Iachmann. |
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Von Reinhold Bernhard Iachmann. | |||||||
19. Oct. 1797. | |||||||
Wohlgeborner Herr Professor | |||||||
Verehrungswürdigster Lehrer! | |||||||
Als ich bei meiner letzten Abreise von Koenigsberg mich Ihrer | |||||||
fortdauernden Freundschaft empfahl, so glaubte ich ganz sicher, daß ich | |||||||
nun bald wieder das lang entbehrte Glück Ihres persönlichen Umganges | |||||||
genießen würde, dessen Sie mich bei meinem vormahligen | |||||||
Auffenthalt in Koenigsberg würdigten. Mehr als alle die Vortheile, | |||||||
womit das altstädtsche Diaconat mich etwa bereichern könnte, lag mir | |||||||
die Hofnung am Herzen, noch von der letzten Zeit Ihres Lebens für | |||||||
meine Ausbildung den größt möglichsten Vortheil ziehen zu können. | |||||||
Und je tiefer ich es empfand, wieviel ich in diesen 3 Iahren habe | |||||||
entbehren müssen, desto sehnlicher wünschte ich wieder jene Zeit zurück, | |||||||
in welcher ich mich durch Ihre Freundschaftsbezeigungen so glücklich | |||||||
fühlte und durch Ihre Belehrungen täglich klüger und besser wurde. | |||||||
Aber Neid und Cabale haben mich noch länger von einem Glück zurückgehalten, | |||||||
welches doch gewis Niemand mehr schätzte und besser benutzte, | |||||||
als ich. Ich kann es nicht leugnen, daß mir vorzüglich in dieser | |||||||
Rücksicht die mißlungene Wahl sehr unangenehm ist; denn obgleich es | |||||||
mir hier weder an Unterhalt noch an Liebe fehlt, so überzeuge ich | |||||||
mich doch immer mehr, daß ich mich nicht auf meinem rechten Standpunct | |||||||
befinde. - Sollte ich aber wegen der einen ungünstigen Wahl | |||||||
alle Hofnung aufgeben je in Koenigsberg eine Stelle zu bekleiden? | |||||||
Erlauben Sie mir theuerster Herr Professor, daß ich Ihnen hier meine | |||||||
Gedanken über die Zukunft zur Beurtheilung und Entscheidung vorlege, | |||||||
mit der ergebensten Bitte um Ihre geneigte Hülfe, im Fall mein Plan | |||||||
Ihren Beifall finden sollte. Um eine Wahlstelle würde ich mich wohl | |||||||
nie mehr bemühen, weil ich nicht hoffen kann, daß ich je mehr Eindruck | |||||||
auf eine Gemeine machen könnte, als es durch meine letzte Predigt | |||||||
bei der altstädtschen Gemeine geschah. Aber sollte ich nicht auch auf | |||||||
Königliche Stellen Anspruch machen können, da ich schon über 3 Iahre | |||||||
bei einer Schule gearbeitet habe? Um diese Ansprüche noch mehr zu | |||||||
begründen, habe ich auch jetzt, nachdem ich hier in die 2te Predigerstelle | |||||||
gerückt bin, es freiwillig übernommen, ferner noch bei der Schule | |||||||
zu bleiben und 2 Stunden täglich zu unterrichten. Von den Königlichen | |||||||
Predigerposten in Koenigsberg wären wohl keine andern wünschenswerth | |||||||
als die Hofpredigerstelle, die Pfarrstellen bei den 3 Haupt Kirchen, | |||||||
bei der Sackheimschen und Tragheimschen Kirche. Freilich sind die | |||||||
meisten dieser genannten Aemter eben nicht sehr einträglich, aber ich | |||||||
hoffe sie durch Nebenverdienste wohl einträglicher zu machen. Habe | |||||||
ich doch hier bei den geringen Einkünften meiner vorigen Stelle durch | |||||||
Pensionnairs u. Privatunterricht noch etwas erübrigen können, warum | |||||||
sollte dies nicht auf einem Schauplatz, wie Koenigsberg ist, geschehen | |||||||
können? Meine Absicht, die ich schon seit mehrern Iahren gehabt habe, | |||||||
geht dahin, neben einer Pfarre noch eine academische Lehrerstelle zu | |||||||
bekleiden. Die philosophische Facultaet halte ich dazu am tauglichsten, | |||||||
theils weil man in ihr schon von den Studirenden mehr erwerben kann, | |||||||
als von den armen Theologen, theils aber auch weil man in ihr bei | |||||||
dem jetzigen allgemeinen Hange zu Wissenschaften selbst bei jungen | |||||||
Leuten aus andern Ständen sich Erwerbsquellen eröfnen kann. | |||||||
Außer der Philosophie hätte ich zur Mathematik und Physik die meiste | |||||||
Neigung. Ich habe seit einiger Zeit in den beiden letzten Wissenschaften | |||||||
mit glücklichem Erfolg gearbeitet und ich glaube es bald darin | |||||||
zu einer gewissen Vollkommenheit zu bringen. Nehme ich übrigens | |||||||
auf das Personale der Koenigsbergschen Universität Rücksicht, so glaube | |||||||
ich auch aus dem Grunde nicht schlecht gewählt zu haben. An einem | |||||||
lichtvollen und angenehmen Vortrage fehlt es fast allen dasigen Lehrern | |||||||
der Mathematick und Physick. Logick, Metaphysick und andere philosophische | |||||||
Wissenschaften auf eine faßliche Art zu hören, ist jetzt auch | |||||||
kaum Gelegenheit, da der Vortrag des P. Poerschke mir dunkler vorkommt, | |||||||
als irgend einer, den ich je gehört habe. Vielleicht könnte ich | |||||||
hier wenigstens der Vorbereiter zu schwerern Vorträgen werden, da | |||||||
ich mich eines deutlichen Vortrages bewußt bin. Vielleicht könnte ich | |||||||
auch künftig jungen Leuten, welche die critische Philosophie kennen | |||||||
lernen wollen, den Weg dazu zeigen, da sie bei P. Poerschke dazu | |||||||
keine Gelegenheit haben werden, weil dieser denkende Mann seinen | |||||||
eignen, von der critischen Philosophie oft abweichenden Weg geht. So | |||||||
viel scheint mir wenigstens gewiß, daß in den genannten Fächern ein | |||||||
Mann, der seine Sache versteht, noch mit Nutzen arbeiten kann. Ob | |||||||
ich übrigens dazu geschickt wäre, das kann wohl Niemand besser als | |||||||
Sie, theuerster Herr Professor beurtheilen und Ihr unpartheyisches | |||||||
Urtheil, welches Sie wohl meinem Bruder mittheilen werden, soll für | |||||||
mich entscheidend seyn. Findet mein Plan aber Ihren Beifall, so bin | |||||||
ich auch von Ihrer Güte überzeugt, daß Sie ihn gewiß aufs wirksamste | |||||||
befördern werden. Ihre Empfehlung kann für mich nicht anders | |||||||
als mit den erwünschtesten Folgen begleitet seyn. Sie werden | |||||||
es auch am besten beurtheilen, ob bei der jetzigen schnellen Concurrenz | |||||||
von Mitbewerbern, eine vorläufige Empfehlung für meinen Zweck dienlich | |||||||
wäre, welches ich fast glaube, oder ob man erst eine Vacanz abwarten | |||||||
müßte. Nun theuerster Herr Professor ich überlasse mich ganz | |||||||
Ihrer Vorsorge, deren ich mich künftig durch Eifer und gewissenhafte | |||||||
Erfüllung meiner Pflichten immer würdiger zu machen hoffe und bin | |||||||
mit der vollkommensten Hochachtung | |||||||
Ihr | |||||||
ergebenster Diener | |||||||
Marienburg den 19 Octobr | Jachmann. | ||||||
1797. | |||||||
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