Kant: Briefwechsel, Brief 713, Von Friedrich August Hahnrieder. |
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Von Friedrich August Hahnrieder. | |||||||
Berlin den 20 ten Sept. | |||||||
1796. | |||||||
Achtungswürdiger Mann! | |||||||
Die Ungewisheit der Entwikkelung meines Schiksals ist die | |||||||
eigentliche Ursache der Verzögerung eines Schreibens, ich wollte mir | |||||||
die Freiheit, Denenselben zu schreiben, nicht eher zu Nuzze machen, | |||||||
als bis ich im Stande wäre, eine gänzliche Schilderung aller gehabten | |||||||
Fatalitäten zu liefern, izt ist mein Schiksal entschieden, und | |||||||
ich eile Ihnen davon getreue Nachrichten zu liefern. Sobald das | |||||||
Schiff aus Königsberg ausgelaufen war, veränderte sich der Wind, | |||||||
wir mußten vor Fischhof zu Anker gehen, dieses begegnete uns noch | |||||||
einmal auf dem Haf, nicht eher als in ohngefähr drei Tagen kamen | |||||||
wir nach Pillau, woselbst, widrigen Windes wegen, wir acht Tage | |||||||
liegen mußten; die Theurung in Pillau verminderte um vieles meine | |||||||
Baarschaften, welche ohnehin äußerst mäßig waren. Nachdem der | |||||||
Wind günstig geworden, gingen wir unter Segel, eilf Tage waren | |||||||
wir auf ofner See, in Swinemünde blieben wir liegen, und einige | |||||||
Meilen von Swinemünde wiederfuhr uns daßelbe, nach einer Reise | |||||||
von viertehalb Wochen kamen wir nach Stettin, von da gieng ich mit | |||||||
noch zwei Reise Kameraden zu Fuß nach Berlin, die Sachen wurden | |||||||
auf einen Oder=Kahn geladen. Die Empfelungen, die Sie mir mitzugeben | |||||||
die Güte gehabt, gab ich ab; HE Doktor Biester und HE | |||||||
Profeßor Kiesewetter hatten wider meinen Plan nichts einzuwenden, | |||||||
letzterer gab sich Mühe mich bei einem Meister unterzubringen, aber | |||||||
es war vergebens, keiner von allen, wohin mich Kiesewetter brachte, | |||||||
wollte sich entschließen mich anzunehmen, der eine entschuldigte sich, | |||||||
daß er keinen Plaz habe, der andre, daß ich in den Iahren nicht | |||||||
viel lernen würde, der dritte meinte, er könnte mich nicht so als einen | |||||||
gewöhnlichen Lehrjungen behandeln ein vierter hatte andere Gründe, | |||||||
und so war alles Bemühen fruchtloß, ich bat daher HE Prof. Kiesewetter | |||||||
irgend einen andern Plan zu meinen Fortkommen zu entwerfen, | |||||||
indeßen wollte er meinen einmal entworfnen Plan durchgesezt | |||||||
wißen, es koste was es wolle, er rieth mir mich an HE Doktor | |||||||
Biester zu wenden, dieser würde vielleicht einen Meister ausfindig | |||||||
machen, und dann solte ich, die Bedingungen möchten seyn welche es | |||||||
wollten, in Arbeit gehen, nach seiner Zurükkunft (er reißte eben auf | |||||||
einige Zeit nach Freyenwalde sechs Meilen von hier ins Bad) würde | |||||||
er alles arrangiren, er hätte schon mit mehreren Freunden gesprochen, | |||||||
die mich während meinen Lehrjahren zu unterstüzzen versprachen, da | |||||||
eine Unterstüzzung unter solchen Umständen als ein allgemeines Gesez | |||||||
sehr wohl bestehen könnte, so nahm ich dieses Anerbieten an, HE | |||||||
Doktor Biester empfohl mich dem braven Zöllner, welcher mich vermittelst | |||||||
eines Tischlers bei einem geschickten hiesigen Tischler unterbrachte, | |||||||
die Bedingungen waren freilich meinen Verhältnißen nicht | |||||||
angemeßen, ich sollte nemlich auf drei Iahre eingeschrieben werden | |||||||
funfzig Thaler Lehrgeld bezalen und Tisch, Quartier und Kleidung | |||||||
selbst besorgen, allein in Hofnung auf die so sicher zugesagte Unterstüzzung | |||||||
fieng ich an zu arbeiten; nachdem Kiesewetter zurükgekommen | |||||||
stellte ich ihm dieses vor, er hatte dawider nichts einzuwenden, | |||||||
munterte mich auf meinem Vorsaz treu zu bleiben, und versicherte | |||||||
mir, da ich einige Zweifel gegen Unterstüzzung hegte, daß ich nichts | |||||||
zu besorgen hätte; ohngeachtet aller Versicherungen, konnte ich doch | |||||||
nicht ganz zufrieden seyn, ich sprach HE Doktor Biester darüber, | |||||||
dieser meynte, daß das Versprechen zu voreilig wäre, ich bat nun | |||||||
Prof. Kiesewetter mir ganz bestimt darüber Auskunft zu geben, denn | |||||||
solte es mit der Unterstüzzung Schwierigkeiten sezzen, so könnte ich | |||||||
ja, da ich noch nicht eingeschrieben wäre, mit der Arbeit aufhören, | |||||||
und irgend etwas anders entriren, zugleich ersuchte ich ihn mich als | |||||||
Hofmeister ohnweit Berlin zu engagiren, er indeßen wollte davon | |||||||
nichts hören, sondern sprach immer von Unterstüzzung, dieses hatte schon | |||||||
mehrere Wochen gedauert, und ich muß gestehen, daß mir meine | |||||||
Lage sehr zur Last wurde; während dieser Zeit war der Rath Campe | |||||||
aus Braunschweig hier gewesen, mit diesem hatte Kiesewetter meinetwegen | |||||||
gesprochen, und ihm den Brief von Ihnen gezeigt, in Rüksicht | |||||||
des für mich so günstigen Urteils wollte dieser rechtschaffene Mann | |||||||
mich gerne in Braunschweig haben, versprach mit einem dasigen sehr | |||||||
geschikten Tischler und Mechanikus darüber zu sprechen und mit | |||||||
nächstem darüber Nachricht zu erteilen, ich hatte ihn besucht und | |||||||
dieses Versprechen von ihm selbst gehört, da mir meine Lage in die | |||||||
Zukunft nicht als die günstigste erschien, so gieng ich vor einigen | |||||||
Tagen zum Buchhändler HE Viehweg, der der Schwiegersohn von | |||||||
Kampe ist, um nachzufragen, ob eine Nachricht aus Braunschweig | |||||||
eingelaufen wäre, Viehweg sagte mir, daß Kampe geschrieben, da | |||||||
ich bei dem Meister, indem er nicht zünftig wäre, nichts neues lernen | |||||||
könnte, wenn ich als zünftig gelernter Tischler einst subsistiren könen | |||||||
wollte, - also wieder eine fehlgeschlagene Hofnung -, die Räthin | |||||||
Kampe, die izt hier ist, kam dazu, sprach mit mir über meinen Plan | |||||||
und da ich alle Umstände auseinandergesezt, so versprach sie und | |||||||
HE Viehweg für meinen Unterhalt zu sorgen, überdem giebt HE | |||||||
Viehweg mir bei sich frei Quartier, und so hat mich denn diese gute | |||||||
Frau, freilich nicht meines Verdienstes oder Würdigkeit willen, sondern | |||||||
blos Ihrer so guten Empfelung wegen, aus der größesten Verlegenheit | |||||||
gerißen, denn von meinen Eltern darf ich keine Unterstüzzung | |||||||
erwarten, diese wißen von meinem Entschluße nichts, und | |||||||
würden ihn auch nie billigen. Die gute Campe hat mir aufgetragen, | |||||||
Ihnen unbekanter Weise sie zu empfelen, ich wünschte daß Sie diese | |||||||
Familie, die aus lauter braven Menschen besteht, kennen möchten, es | |||||||
giebt doch noch gute Menschen unter dem Monde! Schenken Sie | |||||||
mir die Fortdauer Ihrer Freundschaft, ich werde alle meine Kräfte aufbieten, | |||||||
mich derselben nie unwürdig zu machen, redlich und ohne zu | |||||||
wanken will ich den dornigten Pfad der Tugend wandeln! HE Hofprediger | |||||||
Schulz bitte ich mich zu empfelen und mit der vollkommensten | |||||||
Hochachtung habe ich die Ehre zu seyn | |||||||
Ew. Wohlgebornen | |||||||
aufrichtig ergebner | |||||||
Freund und Diener | |||||||
Hahnrieder. | |||||||
N. S. Mit der Arbeit geht's recht gut, ich habe bereits einige | |||||||
Fußbanken, einen TischFuß, ein FusGestelle zu einer Hobel Bank gemacht, | |||||||
izt arbeite ich an einem kleinen eichnen Tischchen, welches aufs | |||||||
Meubel=Magazin gestellt werden soll! | |||||||
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