Kant: Briefwechsel, Brief 637, Von Samuel Krickende. |
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| Von Samuel Krickende. | |||||||
| 11. Aug. 1794. | |||||||
| Wohlgeborner HErr, | |||||||
| Hochzuverehrender Herr Professor! | |||||||
| Ob es gleich 25. Iahre her ist, daß ich das Vergnügen hatte, | |||||||
| mit Ewr: Wohlgebornen bei dem Buchhändler Kanter zusammen zu | |||||||
| seyn: so ist doch mein Andenken an dieses Vergnügen immer noch so | |||||||
| lebhaft, als hätte ich es nur kürzlich genossen. Daß ich, wenn es mir | |||||||
| heute zu Theil würde, bei weitem viel mehr Nutzen, als damals, zugleich | |||||||
| einsammlen würde; ist allerdings wahr. Aber eben so wahr ist | |||||||
| es auch leider, daß meine Lage mir es unmöglich macht, des Glückes | |||||||
| theilhaftig zu werden. Unser uns immer noch theure Sulzer hat ja | |||||||
| auch nicht die Freude erleben sollen, Ewr: Wohlgeboren die Moral herausgeben | |||||||
| zu sehen, nach der er vor 25. Iahren so sehnlich verlangt hatte. | |||||||
| Und wie viel andre Wackere haben die Revolution nicht erleben dürfen, die | |||||||
| Sie in der Philosophie veranlaßt haben! Sie findet auch hier immer | |||||||
| mehrere Freunde, und ich kenne Manchen über 50. Iahre hinaus, der | |||||||
| sich zu Ihren Füssen setzt, um von Ihnen philosophiren zu lernen. | |||||||
| Doch meine Absicht ist es jezt nicht, Ewr: Wohlgebornen dieses und | |||||||
| Mehreres über Sie und Ihre Meisterarbeiten zu sagen, zumal Sie dergleichen | |||||||
| von weit bedeutenderen Männern unendlich bedeutender sagen | |||||||
| hören. Ich habe Sie vielmehr um Etwas zu bitten, das, von Ihnen | |||||||
| gewähret, Sie zu meinem und zu vieler andren grossen Wohlthäter, vielleicht | |||||||
| auf nicht zu berechnende Zeiten, machen würde, indem es zugleich | |||||||
| ein Verdienst um Ihre Leser seyn würde. | |||||||
| Ich hatte seit 1766. darauf gearbeitet, den in dem bitter Katholischen | |||||||
| Grottckau wohnenden Evangelischen, die zum Theil unsre | |||||||
| Landesleute waren, eine Schul= und Kirchen Anstalt zu vermitteln. | |||||||
| Das gelang mir auch so weit, daß sie sie 1775. errichtet sahen, und zwar | |||||||
| durch die Milde von Tausend überall wohnenden Menschenfreunden. | |||||||
| Die Armuth der mehresten Evangelischen Grottkaus machte es nothwendig, | |||||||
| auf Fonds zu dencken, aus denen ihre, der Schule bedürfenden | |||||||
| Kinder, mit freier Unterweisung nicht nur, sondern auch mit Lehrmitteln | |||||||
| und mit Gaben versorgt werden könnten. Hiezu liessen sich keine | |||||||
| andre Wege einschlagen, als der: bei der Anstalt einen Buchladen, und | |||||||
| in der Folge eine SchulBuchhandlung anzulegen, und Verlagsschriften | |||||||
| zu erhalten, die jener mittelbar, diese aber unmittelbar vertriebe. | |||||||
| Einige wackre Schriftsteller, als Diterich, Reichardt etc., schenckten dergleichen | |||||||
| großmütig, um eines so menschenfreundlichen Zweckes willen. | |||||||
| Andre verkauften dergleichen an die SchulAnstalt und ihre Buchhandlung. | |||||||
| Aber gerade von diesen lezteren hatte sie statt des Gewinnes Verlust, | |||||||
| und grossen Verlust. Den größten und empfindlichsten wol von Peukers | |||||||
| Darstellung des Kantischen Systems, und zwar durch ein Verfahren | |||||||
| dieses Mannes, dessen er sich gegen mich und die Anstalt, deren Freund | |||||||
| zu seyn er so sehr verpflichtet war, wol nicht hätte bedienen sollen, | |||||||
| ohne sich um mehr, als um den Nahmen eines wahren Philosophen, | |||||||
| zu bringen. Er wollte nun einmal Lehrer in Halle und Lehrer Ihrer | |||||||
| Philosophie werden, und seine Darstellung sollte das Buch seyn, wornach | |||||||
| er sie lehren wollte. Herr Prof: Garve urtheilte darüber schriftlich | |||||||
| auf eine für ihn nicht unvorteilhafte Weise, und dieses Urteil sollte mich | |||||||
| bewegen, die Darstellung von der SchulBuchhandlung verlegen zu | |||||||
| lassen. Das lehnte ich ab, und schlug dagegen dem HErn Peuker vor, | |||||||
| den Druck und den Vertrieb derselben auf seine Kosten durch die Schul | |||||||
| Buchhandlung besorgen und den daraus kommenden Gewinn sich nach | |||||||
| Abzug der Provision abreichen zu lassen. Er nahm den Vorschlag an, | |||||||
| und so ward die Darstellung gedruckt. Da sie aber beinahe abgedruckt | |||||||
| war, wollte sie HE P. von der SchulBuchhandlung als Verlagsschrift, | |||||||
| auf ihre Kosten gedruckt, angenommen haben, und spiegelte ihr viel Gewinn | |||||||
| davon vor, da er in Halle ein Glück machte, dessen sich HE Prof: | |||||||
| Eberhard nicht rühmen könnte, und nun als ein zum Professor erhöheter | |||||||
| Mann noch viel besser mit seinen Vorlesungen, sie folglich mit seiner | |||||||
| Darstellung, fahren müßte. Diese Vorspiegelungen und meine Freundschaft | |||||||
| für den Mann, und meine Abneigung, ihm an Ehre und Glück | |||||||
| zu schaden, bestimmten mich, seine Darstellung als Verlagsschrift zu | |||||||
| behandeln, ohne zu ahnden, daß er, der von Halle her dem Druckorte | |||||||
| Leipzig so nahe war, sie so äusserst fehlerhaft würde erscheinen lassen, | |||||||
| ohne die Fehler, sey es hinter dem Buche, oder in gelehrten Zeitungen | |||||||
| und Iournalen zu berichtigen, wie sehr er auch dazu aufgefordert worden: | |||||||
| oder, daß er über ein andres, als über dieses sein Buch, darum lesen | |||||||
| würde, weil es durch seine eigene Schuld noch nicht völlig abgedruckt | |||||||
| war. Aber ach! Kaum hatte HE P. zu lesen angefangen; so ward | |||||||
| sein für sehr besucht ausgegebener Hörsaal leer, und er aus einem Professor | |||||||
| ein Kommissionsrath bei der Kammer zu Breslau; und seine Darstellung | |||||||
| ward ein moderndes Lagerguth auf meine und der SchulAnstalt | |||||||
| schwache Kosten, da er Nichts hat, um sie zu erstatten. | |||||||
| Ewr: Wohlgebornen ermessen nun wol von selbst, warum ich Sie | |||||||
| zu bitten habe, und wie so Sie durch die Gewährung meiner Bitte an | |||||||
| mir und an vielen andern wohlthun können. Ich bitte Sie ergebenst und | |||||||
| angelegentlich um irgend eine Arbeit Ihrer Meisterhand zum Verlage | |||||||
| der Grottkauschen SchulBuchhandlung; kann es seyn, als Geschenk für | |||||||
| die arme SchulAnstalt, desto heisser wird mein und ihr Danck an Sie | |||||||
| seyn, desto grösser Ihr Verdienst um sie und um mich. Kann es aber | |||||||
| so nicht seyn, so gegen ein Honorar, das nach den, jezt durch den Abzug | |||||||
| der Garnison äusserst verschlimmerten Umständen der SchulAnstalt, | |||||||
| und nach der Absicht, die sie mit dem Verleger hat, bestimmt ist. Wäre | |||||||
| es eine Druckschrift, die zum Lesebuch für akademische oder Schullehrer | |||||||
| diente; so würde ich, wenn Sie so eine der SchulAnstalt in Verlag | |||||||
| gäben, ihr Glück wünschen und die Erreichung ihrer wohlthätigen Absicht | |||||||
| versprechen können, weil so ein Buch von Ihnen wiederhohlte Auflagen | |||||||
| zusicherte. | |||||||
| Haben Ewr: die Güte, mich unter dem Einschluß des | |||||||
| HErrn Kirchenraths Borowski, der Ihnen meine Zuschrift einhändigt, | |||||||
| wissen zu lassen, was für einen Eingang meine Bitte bei Ihnen finde. | |||||||
| Kann ich in meiner Lage irgend Etwas zu Ihrem Gefallen thun, es | |||||||
| soll mit der herzlichsten Bereitwilligkeit geschehen, zum Beweise der | |||||||
| grossen Hochachtung, die ich für Sie habe, und die mich nie aufhören | |||||||
| lassen wird, zu seyn | |||||||
| Ewr: Wohlgebornen | |||||||
| Tschöplowitz, | ergebenster Diener, | ||||||
| bei Brieg in Schlesien, | S. Krickende, | ||||||
| d: 11. Aug: 1794. | Oberkonsistorialrath und Pastor. | ||||||
| [ abgedruckt in : AA XI, Seite 519 ] [ Brief 636 ] [ Brief 638 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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