Kant: Briefwechsel, Brief 635, An Ioachim Heinrich Campe. |
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| An Ioachim Heinrich Campe. | |||||||
| 16. Iuli 1794. | |||||||
| Würdigster, vortrefflicher Mann! | |||||||
| Das menschenfreundliche, aus liebevollem Herzen entsprungene, | |||||||
| zugleich auch mit der äußersten Schonung auch der zartesten Bedenklichkeit, | |||||||
| in Annehmung der Wohlthaten, begleitete Anerbieten, welches | |||||||
| Sie mir mit Ihrem, mir unvergeßlichen Briefe vom 27. Iuni zu thun | |||||||
| beliebt haben, hat mich in die größte Rührung versetzt, und verdient | |||||||
| meine innigste Dankbarkeit, obgleich der Fall nicht existirt, davon Gebrauch | |||||||
| zu machen. | |||||||
| Der Commandant unserer Stadt (soll wohl eigentlich der Gouverneur | |||||||
| Herr Generallieutenant v. Brünneck sein) hat keine Aufforderung | |||||||
| zum Widerruf meiner Meinungen an mich gethan; folglich | |||||||
| ist auch kein Entsetzungsurtheil von meiner Stelle, auf höchsten Befehl, | |||||||
| an mich ergangen. Ein falsches Gerücht, als ob ich mit diesem Herrn, | |||||||
| der mir immer alle Merkmale seiner Gewogenheit bewiesen hat, wegen | |||||||
| der Bestellung eines neuen Hauslehrers für seine Kinder, zerfallen | |||||||
| wäre, kann hierzu Anlaß gegeben haben. | |||||||
| Was die Zumuthung des Widerrufs, im Fall, daß die vorgebliche | |||||||
| Bedrohung stattgefunden hätte, betrifft: so haben Sie ganz richtig geurtheilt, | |||||||
| wie ich mich dabei würde benommen haben. Außerdem halte | |||||||
| ich in meiner jetzigen Lage und, da mir keine Verletzung der Gesetze | |||||||
| Schuld gegeben werden kann, eine solche Zumuthung oder Androhung | |||||||
| kaum für möglich. Auf den äußersten Fall aber bin ich von Mitteln | |||||||
| der Selbsthülfe nicht so entblößt, daß ich Mangels wegen für die kurze | |||||||
| Zeit des Lebens, die ich noch vor mir habe, in Sorgen stehen, und | |||||||
| irgend Iemanden zur Last fallen sollte; so gern er diese auch aus edler | |||||||
| Theilnehmung zu übernehmen gesinnt sein möchte. | |||||||
| Und nun, theuerster Freund, wünsche ich Ihnen ein Glück des | |||||||
| Lebens, dessen Ihre ruhm= und liebenswürdige Denkungsart so sehr | |||||||
| würdig ist; empfehle mich Ihrem ferneren Wohlwollen, und bin mit | |||||||
| der größten Hochachtung | |||||||
| Königberg, d. 16. Iul. 1794. | der Ihrige | ||||||
| Kant. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA XI, Seite 516 ] [ Brief 634 ] [ Brief 636 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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