Kant: Briefwechsel, Brief 634, An Iacob Sigismund Beck. |
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An Iacob Sigismund Beck. | |||||||
1. Iuli 1794. | |||||||
Werthester Freund | |||||||
Auf die Mittheilung Ihrer Idee, von einem vorhabenden Werk, | |||||||
über die "ursprüngliche Beylegung" (der Beziehung einer Vorstellung, | |||||||
als Bestimmung des Subjects, auf ein von ihr unterschiedenes Object, | |||||||
dadurch sie ein Erkentnisstück wird, nicht blos Gefühl ist) habe ich, | |||||||
ausser daß mir alle ihre Zuschriften jederzeit angeh[n]em sind, jetzt nichts | |||||||
zu erwiedern, als folgende kleine Bemerkungen: | |||||||
1. Ob Sie das Wort Beylegung auch wohl im Lateinischen | |||||||
ganz verständlich ausdrücken könnten? Ferner, kann man eigentlich | |||||||
nicht sagen: daß eine Vorstellung einem anderen Dinge zukomme | |||||||
sondern daß ihr, wenn sie Erkentnisstück werden soll, nur eine Beziehung | |||||||
auf etwas Anderem (als das Subject ist, dem sie inhärirt) | |||||||
zukomme, wodurch sie Anderen communicabel wird; denn sonst | |||||||
würde sie blos zum Gefühl (der Lust oder Unlust) gehören, welches an sich | |||||||
nicht mittheilbar ist. Wir können aber nur das verstehen und Anderen | |||||||
mittheilen, was wir selbst machen können, vorausgesetzt, daß die Art, | |||||||
wie wir etwas anschauen, um dies oder jenes in eine Vorstellung zu | |||||||
bringen, bey Allen als einerley angenommen werden kann. Ienes ist | |||||||
nun allein die Vorstellung eines Zusammengesetzten. Denn: | |||||||
2. Die Zusammensetzung können wir nicht als gegeben warnehmen, | |||||||
sondern wir müssen sie selbst machen: wir müssen zusammensetzen, wenn | |||||||
wir uns etwas als zusammengesetzt vorstellen sollen (selbst den Raum | |||||||
und die Zeit). In Ansehung dieser Zusammensetzung nun können wir uns | |||||||
einander mittheilen. Die Auffassung ( apprehensio ) des Manigfaltigen | |||||||
Gegebenen und die Aufnehmung in die Einheit des Bewustseyns | |||||||
desselben ( apperceptio ) ist nun mit der Vorstellung eines Zusammengesetzten | |||||||
(d. i. nur durch Zusammensetzung Möglichen) einerley, wenn | |||||||
die Synthesis meiner Vorstellung in der Auffassung, und die Analysis | |||||||
derselben so fern sie Begrif ist, eine und dieselbe Vorstellung geben | |||||||
(einander wechselseitig hervorbringen), welche Ubereinstimmung, da | |||||||
sie weder in der Vorstellung allein, noch im Bewustseyn allein liegt, | |||||||
dennoch aber für jedermann gültig ( communicabel ) ist, auf etwas für | |||||||
jedermann Gültiges, von den Subjekten Unterschiedenes, d. i. auf ein | |||||||
Objekt bezogen wird. | |||||||
Ich bemerke, indem ich dieses hinschreibe, daß ich mich nicht einmal | |||||||
selbst hinreichend verstehe und werde Ihnen Glück wünschen, wenn | |||||||
sie diese einfache dünne Fäden unseres Erkentnisvermögens in genugsam | |||||||
hellen Lichte darstellen können. Für mich sind so überfeine Spaltungen | |||||||
der Fäden nicht mehr; selbst Hrn. Prof: Reinholds seine kan | |||||||
ich mir nicht hinreichend klar machen. Einen Mathematiker, wie Sie | |||||||
werther Freund, darf ich wohl nicht erinnern, über die Grenze der | |||||||
Klarheit, so wohl im gewöhnlichsten Ausdrucke, als auch der Belegung | |||||||
durch leichte fasliche Beyspiele, nicht hinauszugehen. - Herren Hartknoch | |||||||
wird Ihre vorhabende Schrift sehr lieb seyn. Behalten Sie | |||||||
mich lieb als | |||||||
Ihren aufrichtigen Freund und Diener | |||||||
Koenigsberg | I Kant | ||||||
den 1 sten July | |||||||
1794 | |||||||
[ abgedruckt in : AA XI, Seite 514 ] [ Brief 633 ] [ Brief 635 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |