Kant: Briefwechsel, Brief 618, Von Iohann Erich Biester. |
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Von Iohann Erich Biester. | |||||||
4. März 1794. | |||||||
Sie konnten wohl nur vermuthen, mein Verehrungswürdiger | |||||||
Freund, daß ich Ihre treflichen Beiträge nicht mehr zu erhalten | |||||||
wünschte, wenn ich durch einen Umstand veranlaßt wurde, die Berl. | |||||||
Monatsschrift ganz aufzugeben. Sollte dies aber je der Fall sein, so | |||||||
würde ich meiner Schuldigkeit gemäß, eilen, die gütigen Freunde, | |||||||
welche mich unterstützen, davon zu benachrichtigen; und gewiß vor allen | |||||||
Dingen Sie. Bei der letzten Absendung drängten mich verschiedene | |||||||
Geschäfte; und da in dem Quartale vom Oktob.-Dezember kein Aufsatz | |||||||
von Ihnen gedruckt war, so hielt ich es mir für erlaubt, diesmal | |||||||
bloß die Stücke ohne einen Brief von mir einzupacken. Recht herzlich | |||||||
bitte ich Sie aber um Verzeihung, wenn ich Ihnen dadurch auch nur | |||||||
eine Stunde Verlegenheit oder unangenehme Empfindung verursacht | |||||||
habe. Daß dies meine Absicht nicht gewesen ist, noch hat sein können, | |||||||
werden Sie mir gewiß glauben, u. mir also nichts von Ihrer gütigen | |||||||
Freundschaft entziehen. | |||||||
Ihr letzter sachreicher Aufsatz im Septemb. beschäftigt noch immer | |||||||
manche Köpfe u. Federn. Ich selbst habe es gewagt, in einer kleinen | |||||||
Numer, welche ich gegen Hr Zimmermann in Braunschweig schrieb | |||||||
(Novemb. Nr. 6) mich darauf zu beziehen, und einigermaßen bei dieser | |||||||
Gelegenheit, soviel es sich dabei thun ließ, das auszudrücken was ich | |||||||
über den Aufsatz und über den Verfasser denke. - Die Abhandlung | |||||||
des Hrn Kriegsrath Genz im Dez. werden Sie itzt gelesen haben. Aufrichtig | |||||||
gesagt, scheint er mir und mehrern Beurtheilern, die ich bis itzt | |||||||
darüber gehört habe, nicht tief eingedrungen zu sein, keine erhebliche | |||||||
Bemerkung oder Anwendung gemacht zu haben. Ich kann dies um | |||||||
so freier hier sagen, da ich es ihm selbst, als er mir das Manuskript | |||||||
schickte, z. B. über seine Einwendung gegen Ihren so gerechten Tadel | |||||||
der väterlichen Regierung im Gegensatz der vaterländischen, geschrieben | |||||||
habe. Er hat indeß nicht für gut gefunden, diese Stelle zu | |||||||
ändern, obgleich er es bei mehrern, welche ich ihm anzeigte, gethan | |||||||
hat. Ein Hauptzusatz zu Ihrer Abhandlung wäre die Bemerkung von | |||||||
Genz über die Konstitution, welche uns nehmlich von dem freilich | |||||||
nicht rechtmäßigen, aber doch auch nicht mit Gewalt zu hindernden | |||||||
Druck der Tyrannei retten soll; - ich sage, es wäre ein Hauptzusatz, | |||||||
wenn er nur mehr als das Wort Konstitution enthielte, und aus | |||||||
Prinzipien des Rechts a priori zeigte (oder zeigen könnte), wie eine | |||||||
solche Konstitution zu machen ist, wer sie eigentlich machen soll u. | |||||||
darf, mit welchen rechtlichen Mitteln man sie aufrecht erhalten kann, | |||||||
u.s.w. Genz ist gewiß ein guter Kopf; nur dieser Aufsatz ist zu | |||||||
flüchtig geschrieben, u. nicht mit dem Nachdenken welches der große | |||||||
Gegenstand verdient und erfordert. | |||||||
Im Februarstück dies. Iahrs, welches hoffentlich bald erscheint, | |||||||
werden Sie einen Aufsatz von HEn Rehberg in Hannover finden, | |||||||
über Ihren Aufsatz im September. Er weicht in Manchem ganz von | |||||||
Ihnen ab; der Aufsatz scheint mir aber gut u. gedacht geschrieben. | |||||||
Was ich wünschte, und gewiß mehrere Leser mit mir, wäre: daß Ihnen | |||||||
dies eine Veranlassung würde, Sich über manches noch ausführlicher | |||||||
zu erklären. - Um diesen Brief etwas interessanter zu machen, als | |||||||
wenn ich bloß selbst rede, lege ich ein Schreiben des HEn Garve an | |||||||
mich bei, welcher im Grunde denselben Wunsch oder Gedanken äußert. | |||||||
Die spätere Erscheinung der Stücke kömmt davon her, daß der | |||||||
Verleger HE Spener, der hiesigen Censur wegen, die Monatsschrift | |||||||
an einem auswärtigen Ort (ehemals Iena, itzt Dessau) muß drucken | |||||||
lassen, und den blauen Umschlag an einem andern Ort (Halle) | |||||||
drucken lässt, damit er eine Art von Kontrolle über den ersten Drucker | |||||||
zu führen im Stande ist, welcher sonst, wenn er Monatsschrift u. Umschlag | |||||||
beides druckte, soviel Exemplare als er Lust hätte setzen könnte, | |||||||
über die von dem Verleger ihm vorgeschriebene Anzahl. Der Iänner | |||||||
ist itzt da, bald auch der Februar; ich hoffe, es künftig möglich zu | |||||||
machen, daß die Stücke etwas früher erscheinen. | |||||||
Sie sehen also, mein Theurester, daß ich die Monatsschrift noch | |||||||
fortsetze; Sie sehen, woran Sie auch wohl nie können gezweifelt haben, | |||||||
daß ich (und alle Leser mit mir) Ihre Beiträge auf das höchste schätze. | |||||||
Nehmen Sie also meine Bitte um die Fortsetzung derselben mit Ihrer | |||||||
gewohnten Güte und Bereitwilligkeit zur Erfüllung auf; und nehmen | |||||||
Sie zugleich meinen herzlichsten Dank dafür an, daß Sie mir bald | |||||||
nach Ostern einen Beitrag zu senden versprechen. Ich freue mich begierig | |||||||
darauf, u. werde ihn, wie sich versteht, sogleich zum Druck befördern. | |||||||
Fahren Sie, bitte ich, dann von Zeit zu Zeit mit ihren | |||||||
Beiträgen fort. Außer daß Sie ein gutes Werk daran thun, mich zu | |||||||
unterstützen, bedenken Sie auch: daß ein solcher in vieler Leser Hände | |||||||
kommender Aufsatz oft mehr Wirkung thut, als ein eigenes besonders | |||||||
gedrucktes Buch. | |||||||
Besonders aber, bitte ich, lassen Sie nie einiges Mißtrauen oder | |||||||
beunruhigende Vermuthung über mich bei Sich Statt finden; sondern | |||||||
erkennen mich immer dafür, was ich wahrhaft u. aufrichtig bin, | |||||||
Ihr | |||||||
herzlicher Verehrer und | |||||||
treuer Freund und Diener | |||||||
Berlin, | Biester. | ||||||
4 März 1794. | |||||||
[Beilage.] | |||||||
Garve an Biester. | |||||||
Hochzuverehrender Herr und Freund | |||||||
Das fortgesetzte Geschenk, welches Sie mir mit Ihrer Monatsschrift machen, | |||||||
ist für mich von großem Werthe, sowohl wegen seines innern Gehalts, als wegen | |||||||
der Gesinnungen des Gebers die mir dadurch versichert werden. Die jüngst erhaltene | |||||||
Sendung ist mir dadurch noch interessanter geworden, daß sie mir das letzte Stück | |||||||
der Monatsschrift früher in die Hände gebracht hat, als es in unsern Buchläden | |||||||
wäre zu bekommen gewesen. Ich werde mich immer freuen, wenn ich durch einen | |||||||
Aufsatz von mir, einem Manne wie Kant die Veranlassung gegeben habe, seine | |||||||
Gedanken über einen wichtigen Gegenstand vollständiger zu entwickeln. Und so | |||||||
sehr ich immer meine Freiheit des Denkens auch gegen den größten Mann, | |||||||
wenigstens innerlich werde aufrecht zu erhalten suchen: mit eben so viel Achtsamkeit | |||||||
u. Vergnügen werde ich auch immer die Gegengründe gegen meine Meinung | |||||||
oder gegen meine Vorstellungsart anhören: am meisten von einem Manne, der | |||||||
auch in seinen Nebenideen so lehrreich ist wie Kant, u. dessen moralische Tendenz | |||||||
mit meinen Gesinnungen so vollkommen übereinstimmt. Was mir in diesem Aufsatz | |||||||
das auffallendste war, ist die Behauptung im zweyten Theile, daß auch ein | |||||||
ganzes Volk seine Rechte gegen das StaatsOberhaupt, welches dieselbe verletzt hat, | |||||||
nie mit Gewalt vertheidigen dürfe. Ueber diese Aeußerung, so wie über den ganzen | |||||||
Aufsatz von Kant ließe sich ein Buch schreiben. Und ich fange also nicht erst an, | |||||||
ihnen von meinen Ideen, die ich doch nicht entwickeln kann, Bruchstücke mitzutheilen. | |||||||
Empfangen Sie indeß meinen wiederhohlten Dank für das Vergnügen, | |||||||
welches Sie mir dießmahl, und schon so oft durch Ihre MonatsSchrift gemacht | |||||||
haben: u. seyn Sie versichert, daß ich als Ihr Leser, u. als Ihr Freund, Ihnen, | |||||||
zu der glücklichen Fortsetzung dieses Unternehmens, u. zu allen Ihren litterarischen | |||||||
Arbeiten, Gesundheit und alle äußern Hülfsmittel, die vornehmlich in einem frohen | |||||||
und erwünschten Zustande liegen, von ganzem Herzen wünsche. | |||||||
Ich bin mit aufrichtiger Hochachtung | |||||||
Dero gehorsamster D[iener] und F[reund] | |||||||
Breßlau. d. 11 Oct. 1793. | Garve. | ||||||
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