Kant: Briefwechsel, Brief 613, Von Carl Friedrich Fischer.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Carl Friedrich Fischer.      
           
  25. Dec. 1793.      
           
  Wohlgeborner HE.      
  Hochstgeertester HE Professor!      
  Nicht mir sondern meinem Verleger Oemigke müssen Ewr Wohlgeboren      
  es zuschreiben, daß die Ankündigung der neuen Auflage Ihrer Disputation      
  eher erschien als ich von Ewr Wohlgeboren die schriftliche Erlaubniß      
  dazu erhalten hatte. Sobald nemlich HE Friedlaender mir die      
  Versichrung ertheilt hatte daß Sie meine gehorsamste Bitte erfüllen      
  wolten, so eilte Oemigke dem Publico es zu verkündigen, um dadurch zuvorzukommen      
  daß nicht ein Andrer, vielleich gänzlich ohne Ihr Wissen,      
  wie es der Fall bei Ihren kleinen Schriften war, ein Werck an sich      
  risse, welches das gelehrte Publickum mit Sehnsucht erwartet. - Aber      
  dis habe ich verhindert, daß auch nicht eine Zeile abgedruckt werden      
  solte, bis ich Ihre eigenhändige Einwilligung dazu erhalten hätte.      
  Da Ewr Wohlgeboren aus Gründen, die ich verehren muß, diese mir verweigert      
  haben, so kann die Ankündigung für nichtig angesehen werden.      
           
  ich hatte schon mit meinem Freunde HE Bartholdy, den kommenden      
  Sommer, wo wir gemeinschaftlich einen Garten beziehen werden, dazu      
  bestimt, die Disputation zu übersezzen und mit Anmerkungen zu begleiten,      
  welche die Momente des Unterschiedes der ehemaligen und      
  gegenwartigen Darstellung der Resultate der kritischen Philosophie enthalten      
  solten, wozu HE Maimon Beyträge uns liefern wolte; - wir      
  sahen dieser Arbeit mit Entzücken entgegen, - und nun ist unsre      
  Hofnung vereitelt; ein Verdruß der uns tief kränkt, und über den wir      
  nur uns beruhigen können, wenn Ew Wohlgeboren sich dieser Arbeit selbst      
  unterziehen, oder geschicktern Händen sie anvertrauen wollen. - Dis      
  ist es, worum ich Sie im Namen des Sie und Ihre Philosophie ehrenden      
  Publikums inständigst bitte.      
           
  Das gütige Urtheil welches Ew Wohlgeboren über meine Abhandlung      
  gefält haben, wird mich gewiß mit noch mehrern Eifer beleben, die      
           
  dunkeln Wege der kritischen [Philosophie] mit desto mehr Sorgfalt zu      
  wandeln, um, wenn nach mehrern Iahren ich es wage als Ihr      
  Commentator aufzutreten, die Lükken ausgefült zu sehen, welche ich      
  jetzt schon in ihr entdeckte.      
           
  Befreien Sie mich nur bald von dem mich äußerst beunruhigenden      
  Gedanken, den Unwillen eines Mannes erregt zu haben, dessen Wohlwollen      
  zu besizzen mein höchster Wunsch immer war; oder zeigen Sie      
  mir bestimt einen Weg auf dem ich das welches diesen Unwillen erregte,      
  auf eine Art vernichten kann, wo meine Ehre vor dem Publiko      
  nicht compromittirt wird.      
           
  In der schmeichelhaften Hofnung diese Bitte bald erfüllt zu sehen      
  verharre ich hochachtungsvoll      
           
    Ew Wohlgeboren      
  Berlin gehorsamster Diener      
  den 25 Xbr 93. Fischer      
           
           
           
     

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