Kant: Briefwechsel, Brief 571, Von Iacob Sigismund Beck. |
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Von Iacob Sigismund Beck. | |||||||
Halle den 30ten April 1793. | |||||||
Theuerster Lehrer, | |||||||
Ich bin mit dem Druck des ersten Bandes meines Auszugs fertig | |||||||
und ich werde das Vergnügen haben, Ihnen ein Exemplar mit den | |||||||
nach Königsberg gehenden Meßwaaren zu überschicken. Herr Hartknoch | |||||||
setzte mich aber vor einiger Zeit durch eine Bitte in einige Verlegenheit. | |||||||
Er wollte auf dem Titel gesetzt wissen, daß Sie um meine Arbeit | |||||||
etwas gewußt haben, um sie dadurch den Buchhändlern auf der Messe | |||||||
zu empfehlen. Er schrieb mir, daß Sie ihm dieses mündlich zugestanden | |||||||
hätten. Ich wollte deshalb an Sie schreiben; aber es sahe | |||||||
mir nach Zudringlichkeit aus, und ich unterließ es. Das Wort: mit | |||||||
Ihrer Bewilligung, schien mir bedeutungsleer; das aber: mit Ihrer | |||||||
Billigung, wäre nicht allein widerrechtlich gewesen, sondern ich hätte | |||||||
Sie auch damit compromittiren können. Ich habe auf das Titelblatt | |||||||
gesetzt: auf Ihr Anrathen. Ich habe hin und her überlegt, ob ich | |||||||
auch damit etwas Ihnen Mißfälliges thue, aber keinen Grund dazu | |||||||
auffinden können, weil, wenn sogar das Publicum mein Buch für | |||||||
schlecht halten sollte, auf Sie nichts weiter fallen kann, als daß Sie | |||||||
in der Wahl des Subjects, das Sie dem Hartknoch vorgeschlagen, sich | |||||||
geirrt haben. Den Brief aber, worin mir dieser Mann schreibt, da | |||||||
Sie, so etwas auf den Titel zu setzen ihm bewilligt haben, habe ich | |||||||
in Händen und kann deshalb mich bey Ihnen rechtfertigen. Vieleicht | |||||||
sage ich unnützerweise darüber soviel; es kömmt aber lediglich daher, | |||||||
weil ich nicht will, daß Sie einigen Unwillen gegen mich, haben. | |||||||
Und nun, mein Theuerster Lehrer, danke ich Ihnen für die Güte, | |||||||
daß Sie diese Arbeit mir wirklich zugewandt haben. Denn nicht allein, | |||||||
daß meine äussere Umstände dadurch sehr sind verbessert worden; so | |||||||
habe ich mir sehr viel mehr Einsicht in die critische Philosophie, als | |||||||
ich vorhin hatte, und eine sehr gegründete und starke Ueberzeugung | |||||||
davon verschaft. Diese Philosophie ist mein größtes Gut und in der | |||||||
gegenwärtigen Beschäftigung mit ihr, erkenne ich mehr als jemals die | |||||||
wichtige Wohlthat, dle Ihre Bearbeitungen der Menschheit erweisen | |||||||
und preise mich glücklich, weil ich in dieser Periode und in Umständen | |||||||
lebe, da ich daran Antheil nehmen kann. Dieses Geständniß einer | |||||||
Seele, die so spricht wie sie denkt, erlauben Sie mir, Ihnen zu machen, | |||||||
und mich dadurch gewissermassen von einer Last zu entledigen: Es | |||||||
gehört nur ein unermüdetes Nachdenken dazu, um Ihren Sinn richtig | |||||||
zu fassen und sich sodann auch davon zu überzeugen, wozu der Muth | |||||||
keinem Menschen entfallen darf, und zwar wegen der Verwandschaft | |||||||
dieser Wissenschaft mit der Mathematick, in dem Puncte, daß die Sache | |||||||
doch nicht ausser uns liegt. Die Beschäftigung mit der Critick der | |||||||
Urtheilskraft, giebt mir einen abermaligen Beweis davon. Ehe ich | |||||||
die Feder ansetzte, habe ich sie mehrmals durchgelesen und durchgedacht. | |||||||
Die vielen Schwierigkeiten die ich anfänglich antraf, verschwinden mir | |||||||
zusehens. Ich nehme mir die Freyheit Ihnen mein Manuscript, | |||||||
welches den Auszug der Einleitung und der Exposition eines reinen | |||||||
Geschmacksurtheils enthält, zu überschicken, und bitte Sie, die Freundschaft | |||||||
für mich zu haben, die Einleitung anzusehen und die Stellen | |||||||
zu bemerken, wo ich Ihren Sinn dürfte verfehlt, oder wenigstens nicht | |||||||
deutlich dargestellt haben. Sie erlauben mir aber wohl, Sie an das | |||||||
Versprechen zu erinnern, das Sie mir in Ihrem letzten Briefe thaten, | |||||||
mir zur Benutzung ein Paar Manuscripte zuzuschicken, eins, welches | |||||||
die Critick der Urtheilskraft und ein anderes welches die Metaphysick | |||||||
der Natur angeht. Sie sind so gütig gewesen, mir ein Exemplar der | |||||||
neuen Auflage Ihrer Critick der Urtheilskraft, durch Herrn La garde | |||||||
zuschicken zu lassen, wofür ich Ihnen ergebenst danke, und mit innigster | |||||||
Hochachtung bin | |||||||
der Ihrige | |||||||
Beck. | |||||||
N. S. Die im vorigen Iahr Ihnen zugeschickte Abschrift meines | |||||||
Manuscripts, war mit der reitenden Post nach Königsberg | |||||||
gegangen und dieses konnte nach einem Mißbrauch Ihrer | |||||||
Güte aussehen. Den Fehler den ich dabei begangen, war | |||||||
aber eigentlich der, daß ich mich nicht genau auf dem hiesigen | |||||||
Postamte erkundigte, wenn eigentlich von Berlin aus, die | |||||||
fahrende Post abgeht, da von Halle aus, keine andere als die | |||||||
fahrende abgeht. In dieser Rücksicht bitte ich, über die begangene | |||||||
Unart nicht zu schelten. Ein Mensch, dem ich das | |||||||
beykommende Manuscript zum Abschreiben gegeben, hat mich | |||||||
getäuscht, und ich muß es so schicken, wie ich es geschrieben | |||||||
habe. Ich glaube aber doch, daß Sie die Einleitung leserlich | |||||||
finden werden, und eigentlich liegt mir nur daran, daß Sie | |||||||
die Güte haben möchten, diese zu lesen, | |||||||
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