Kant: Briefwechsel, Brief 562, Von Iohann Bering. |
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Von Iohann Bering. | |||||||
9. März 1793. | |||||||
Wohlgebohrner und Hochgelahrter | |||||||
Höchstgeehrter Herr Profeßor! | |||||||
Sie erlauben mir daß ich nach langen Schweigen einmal wieder | |||||||
schriftlich mit Ihnen reden dürfe. Ich würde dieses Vergnügen öfterer | |||||||
genießen, wenn mich nicht der Gedanke eines zudringlichen und lästigen | |||||||
Menschen, welchen Vorwurf ich doch zum Theil wirklich verdiene, davon | |||||||
abhielte. Was bey mir aber diesen Vorwurf einigermaßen entschuldigt, | |||||||
ist der Gedanke, daß es Ihnen doch unmöglich gleichgültig seyn könne | |||||||
zu wißen, ob das von Ihnen angezündete Licht unter einen Scheffel | |||||||
oder auf einen Leuchter gestellt werde. | |||||||
Den Druck unter welchem die Philosophie bisher hier lebte, werden | |||||||
Sie theils aus meinem letzten Briefe, theils aus der Erzählung des | |||||||
Hrn Dr. Jachmann, der mir bey seinem kurzen Aufenthalt in Marburg | |||||||
einige vergnügte Stunden gemacht, erfahren haben. Allmählig scheinen | |||||||
indeß die hiesigen Augen für das Licht mehr Empfänglichkeit zu bekommen. | |||||||
Viel hoffte ich in dieser Rücksicht durch den nach Gießen | |||||||
berufenen Herrn Profeßor Schmid zu gewinnen. Allein diese Freude | |||||||
war von kurzer Dauer. Er gehet auf Ostern wieder nach Iena zurück, | |||||||
welche Trennung mir sehr nahe geht. Etwas habe ich inzwischen auch | |||||||
dadurch gewonnen, daß ein Schüler von Ihnen Zimmermann hier | |||||||
Profeßor der Theologie geworden ist, und der durch die Anwendung | |||||||
der aus Ihren Schriften gelernten Principien zeigt daß die Kantische | |||||||
Philosophie nicht in blos müßigen Speculationen bestehe. Auch ist | |||||||
der ehemalige Professor Theologiae nunc Juris Robert von mir bekehrt | |||||||
und Ihr großer Verehrer. | |||||||
Der hiesige Buchhändler Krieger hat auf meine Veranlassung sich | |||||||
an Sie gewendet und um den Verlag Ihrer kleinern neuen Abhandlung | |||||||
gebethen. Sollte es angehen, so wünschte ich daß ihm seine Bitte | |||||||
gewähret würde, zumal da schon eine Samlung, vermuthlich ein | |||||||
Nachdruck, in Neuwied heraus gekommen ist. | |||||||
Werden Sie uns dann in der nächsten Meße nicht mit etwas von | |||||||
Ihnen beschenken? Das Gerucht nennt 2 Schriften die Sie liefern | |||||||
würden, die Metaphysik der Sitten und etwas über die Moral, und | |||||||
die Erwartung Ihrer Verehrer ist in Ansehung beyder sehr gespannt. | |||||||
Gott schenke Ihnen Leben und Kräfte um das Gebäude wozu Sie | |||||||
bisher den Grund gelegt, völlig aufzuführen und darzustellen; dieses | |||||||
ist einer meiner sehnlichsten Wünsche, der ich mit wahrer Achtung | |||||||
unausgesetzt bin | |||||||
Ew. Wohlgeb. | |||||||
treuer Verehrer | |||||||
Marburg den 9 Merz | und ganz gehorsamster Diener | ||||||
1793. | Bering | ||||||
[ abgedruckt in : AA XI, Seite 414 ] [ Brief 561 ] [ Brief 563 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |