Kant: AA XI, Briefwechsel 1793 , Seite 414 |
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| 562. | |||||||
| 02 | Von Iohann Bering. | ||||||
| 03 | 9. März 1793. | ||||||
| 04 | Wohlgebohrner und Hochgelahrter | ||||||
| 05 | Höchstgeehrter Herr Profeßor! | ||||||
| 06 | Sie erlauben mir daß ich nach langen Schweigen einmal wieder | ||||||
| 07 | schriftlich mit Ihnen reden dürfe. Ich würde dieses Vergnügen öfterer | ||||||
| 08 | genießen, wenn mich nicht der Gedanke eines zudringlichen und lästigen | ||||||
| 09 | Menschen, welchen Vorwurf ich doch zum Theil wirklich verdiene, davon | ||||||
| 10 | abhielte. Was bey mir aber diesen Vorwurf einigermaßen entschuldigt, | ||||||
| 11 | ist der Gedanke, daß es Ihnen doch unmöglich gleichgültig seyn könne | ||||||
| 12 | zu wißen, ob das von Ihnen angezündete Licht unter einen Scheffel | ||||||
| 13 | oder auf einen Leuchter gestellt werde. | ||||||
| 14 | Den Druck unter welchem die Philosophie bisher hier lebte, werden | ||||||
| 15 | Sie theils aus meinem letzten Briefe, theils aus der Erzählung des | ||||||
| 16 | Hrn Dr. Jachmann, der mir bey seinem kurzen Aufenthalt in Marburg | ||||||
| 17 | einige vergnügte Stunden gemacht, erfahren haben. Allmählig scheinen | ||||||
| 18 | indeß die hiesigen Augen für das Licht mehr Empfänglichkeit zu bekommen. | ||||||
| 19 | Viel hoffte ich in dieser Rücksicht durch den nach Gießen | ||||||
| 20 | berufenen Herrn Profeßor Schmid zu gewinnen. Allein diese Freude | ||||||
| 21 | war von kurzer Dauer. Er gehet auf Ostern wieder nach Iena zurück, | ||||||
| 22 | welche Trennung mir sehr nahe geht. Etwas habe ich inzwischen auch | ||||||
| 23 | dadurch gewonnen, daß ein Schüler von Ihnen Zimmermann hier | ||||||
| 24 | Profeßor der Theologie geworden ist, und der durch die Anwendung | ||||||
| 25 | der aus Ihren Schriften gelernten Principien zeigt daß die Kantische | ||||||
| 26 | Philosophie nicht in blos müßigen Speculationen bestehe. Auch ist | ||||||
| 27 | der ehemalige Professor Theologiae nunc Juris Robert von mir bekehrt | ||||||
| 28 | und Ihr großer Verehrer. | ||||||
| 29 | Der hiesige Buchhändler Krieger hat auf meine Veranlassung sich | ||||||
| 30 | an Sie gewendet und um den Verlag Ihrer kleinern neuen Abhandlung | ||||||
| 31 | gebethen. Sollte es angehen, so wünschte ich daß ihm seine Bitte | ||||||
| 32 | gewähret würde, zumal da schon eine Samlung, vermuthlich ein | ||||||
| 33 | Nachdruck, in Neuwied heraus gekommen ist. | ||||||
| 34 | Werden Sie uns dann in der nächsten Meße nicht mit etwas von | ||||||
| 35 | Ihnen beschenken? Das Gerucht nennt 2 Schriften die Sie liefern | ||||||
| 36 | würden, die Metaphysik der Sitten und etwas über die Moral, und | ||||||
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