Kant: Briefwechsel, Brief 517, Von Christian Garve. |
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Von Christian Garve. | |||||||
Breßl. d. 18 Jun. | |||||||
1792. | |||||||
Theuerster Mann, | |||||||
Da der Sohn eines ehemahligen würdigen Arztes unsrer Stadt | |||||||
und Neffe eines Raths ihres Königsbergischen obersten IustizCollegiums, | |||||||
Herr Krutge, selbst ein Iüngling von den besten Anlagen u. einem | |||||||
liebenswürdigen Charakter, Ihre Universität bezieht, und wünscht, durch | |||||||
einen Brief den er von einem Bekannten an Sie mitbringt, einen | |||||||
nähern Zutritt zu Ihnen zu bekommen: so habe ich ihm diese kleine | |||||||
Gefälligkeit um desto weniger abschlagen wollen, da ich selbst mit Vergnügen | |||||||
eine sich darbiethende Gelegenheit ergreife Sie von meiner | |||||||
Hochachtung zu versichern Ich kenne sie gnugsam aus Ihren Schriften, | |||||||
u. selbst aus dem einzigen Briefe, den ich vor einigen Iahren von | |||||||
Ihnen erhalten habe, um überzeugt zu seyn, daß Sie jungen lehrbegierigen | |||||||
Leuten, die durch ihre gute Aufführung sich Ihrer Freundschaft | |||||||
würdig machen, sich gerne mittheilen, u. was Sie können, zu | |||||||
deren Ausbildung beytragen. Für den jungen Mann, den ich Ihnen | |||||||
empfehle, kann ich stehen, daß er gesittet u. fleißig ist, u. sich so, auch | |||||||
als Akademischer Bürger, zeigen wird. Erzeigen Sie ihm also, auch | |||||||
um meinetwillen, alle die Gefälligkeiten deren er in dem Laufe seiner | |||||||
Studien benöthigt seyn könnte; erlauben Sie ihm insbesondre den | |||||||
Zutritt zu ihrem Umgange, wenn Sie ihn, nach genauerer Prüfung, | |||||||
fähig finden, davon einen nützlichen Gebrauch zu machen. | |||||||
Von wissenschaftlichen Gegenständen erlaubt mir die Kürze der | |||||||
Zeit und des Raums, nicht zu reden. Sie sind auch mein Lehrer, in | |||||||
vielen Puncten, so wie der Lehrer von Deutschland. Da Sie keine nachsprechende | |||||||
Schüler verlangen, so werden Sie meinen Dank, den ich | |||||||
Ihnen hier von neuem für Ihren philosophischen Unterricht sage, nicht | |||||||
weniger wahr u. aufrichtig finden, wenn ich hinzusetze daß ich nicht | |||||||
über alle von Ihnen behandelte Materien mit Ihnen gleichförmig | |||||||
denke. Es ist die größte Belohnung des Selbstdenkers, wenn er die | |||||||
Denkkräfte andrer in Thätigkeit setzt. Wenige Schriftsteller haben diesen | |||||||
Endzweck durch ihre Werke in einem so hohen Grade erreicht, wenige, | |||||||
noch bey ihrem Leben, eine so ausgebreitete Wirkung davon gesehen, | |||||||
als Sie. Aber eben mit dieser Erweckung des eignen Nachdenkens bey | |||||||
den Lesern, ist eine solche Gelehrigkeit derselben, welche in alle Sätze | |||||||
u. Formen des Schriftstellers einstimmt, unverträglich. - Wie sehr | |||||||
wünschte ich daß unsre Wohnplätzen weniger von einander entfernt | |||||||
wären. Wie sehr wünschte ich auch als Mensch Ihnen bekannt zu | |||||||
seyn, u. aller Schätze ihres Geistes, in vertraulichem Umgange zu genießen. | |||||||
Da die Vorsicht unsre Laufbahnen anders gezeichnet hat: so | |||||||
wollen wir, zufrieden mit derjenigen unsichtbaren Verbindung, die | |||||||
zwischen Wahrheit liebenden Denkern, an den entferntesten Orten vorhanden | |||||||
ist, uns, ohne uns gesehen zu haben, lieben, u. uns einander | |||||||
mittheilen, so weit es unsre örtliche Entfernung erlaubt. Ich bin von | |||||||
Herzen Ihr Verehrer u. Freund | |||||||
Garve | |||||||
[ abgedruckt in : AA XI, Seite 341 ] [ Brief 516 ] [ Brief 518 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |