Kant: Briefwechsel, Gedicht 4, verehrungswürdigsten Herrn Professor I. Kant Hochachtung und Liebe dargebracht sämmtlichen Studierenden der hiesigen Universität |
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verehrungswürdigsten | |||||||
Herrn Professor | |||||||
I. Kant | |||||||
Hochachtung und Liebe | |||||||
dargebracht | |||||||
sämmtlichen Studierenden der hiesigen Universität | |||||||
Den 14. Juni 1797. | |||||||
Königsberg | |||||||
gedruckt bei Heinrich Degen. | |||||||
Dich - der Erde allergrösten Geist, | |||||||
Den die Welt mit vollem Recht so heist, | |||||||
Dich - o Kant! - Dich sollte ich besingen? | |||||||
Kühn ists - den Gedanken nur zu wagen! | |||||||
Selbst Augustus Sänger würd' sich fragen: | |||||||
Dürfte Dir dies Wagestück gelingen? | |||||||
Plato - Newton - O wie weit zurük, | |||||||
Liess sie Deines Geistes tiefer Blik, | |||||||
Unter allen Sterblichen hienieden | |||||||
Unter allen grossen Spähern | |||||||
War's - dem Geist des Höchsten sich zu nahern | |||||||
Dir am meisten - Dir zuerst beschieden. | |||||||
Ehrerbietig Dir zur Seite stehn | |||||||
Deines Geistes Adlerflug zu sehn, | |||||||
Dies - ja dies allein ist's was wir können!- | |||||||
Ist es nun - in jene weite Höhen | |||||||
Möglich uns, von fern Dir nachzugehen, | |||||||
Glüklich, glüklich sind wir dann zu nennen. | |||||||
Stolz mit Recht sind wir auf dieses Gluk!- | |||||||
Auf uns sieht die Welt mit Neid im Blik, | |||||||
Und wünscht sehnlich sich in unsre Kreise!- | |||||||
In der Zukunft späten, fernen Tagen, | |||||||
Werden rühmend Enkel von uns sagen: | |||||||
"Diese lebten bey dem weisen Greise!" - | |||||||
Mehr denn achtzehntausend Tage schon | |||||||
Sind als Lehrer ruhmvoll Dir entflohn, | |||||||
Und noch blikt Dein Geist mit Jugendfülle | |||||||
In das Heiligthum der höchsten Wahrheit, | |||||||
Hellt das Dunkelste mit lichter Klarheit | |||||||
Troz dem Schwanken seiner schwachen Hülle. | |||||||
O! - auch dieser Kraft kehr bald zurük! | |||||||
Dass Du lange noch zum allgemeinen Glük | |||||||
Kannst auf dieser Erde Gottes wallen!- | |||||||
Nimm nun hin dies Opfer unsrer Liebe | |||||||
Ja es kommt aus lautrem reinem Triebe, | |||||||
Drum o Theurer! lass es Dir gefallen. | |||||||
[ abgedruckt in : AA XII, Seite 410 ] [ Gedicht 3 ] [ Stammbuchblätter 1-12 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |