Kant: Briefwechsel, Brief 496, An Iacob Sigismund Beck. |
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An Iacob Sigismund Beck. | |||||||
2. Nov. 1791. | |||||||
Werthester Herr Magister! | |||||||
Meine Antwort auf Ihr mir angenehmes Schreiben vom 8ten Oct: | |||||||
kommt etwas spät aber, wie ich hoffen will, doch nicht zu spät, um | |||||||
Sie in Ihren Arbeiten aufgehalten zu haben. Meine Decanats= und | |||||||
andere Geschäfte haben mich zeither aufgehalten und selbst das Vorhaben | |||||||
zu antworten mir aus den Gedanken gebracht. | |||||||
Ihre Bedenklichkeit sich um bloßen Gewinnswillen dem leidigen | |||||||
Troß der Büchermacher beyzugesellen ist ganz gerecht. Ebenso vernünftig | |||||||
ist aber auch Ihr Entschlus, wenn Sie glauben dem Publicum | |||||||
"etwas Gedachtes und nicht Unnützes" vorlegen zu können, auch ohne | |||||||
den Bewegungsgrund des Erwerbs zu dem öffentlichen Capital der | |||||||
Wissenschaft gleich Ihren Vorfahren (deren hinterlassenen Fonds sie | |||||||
benutzt haben) auch ihren Beytrag zu thun. | |||||||
Zwar hätte ich gewünscht daß Sie von den zwey Abhandlungen, | |||||||
die Sie Hrn. Hartknoch in Vorschlag brachten, die erstere gewählt | |||||||
hätten, um damit zuerst aufzutreten; weil die Theorie des Vorstellungsvermögens | |||||||
des Hrn Reinhold so sehr in dunkele Abstractionen zurückgeht, | |||||||
wo es unmöglich wird das Gesagte in Beyspielen darzustellen, | |||||||
so, daß wenn sie auch in allen Stücken richtig wäre (welches ich wirklich | |||||||
nicht beurtheilen kan, da ich mich noch bis jetzt nicht habe hineindenken | |||||||
können) sie doch eben dieser Schwierigkeit wegen unmöglich von ausgebreiteter | |||||||
oder daurender Wirkung seyn kan, vornehmlich aber auch | |||||||
Ihre Beurtheilung, so sehr mich auch die mir gütigst zugeschickte Probe | |||||||
derselben von Ihrer Gabe der Deutlichkeit auf angenehme Art überzeugt | |||||||
hat, die der Sache selbst anhängende Dunkelheit nicht wohl wird | |||||||
vermeiden können. - Vor allem wünsche ich daß Hr. Reinhold aus | |||||||
Ihrer Schrift nicht den Verdacht ziehe als hätte ich Sie dazu aufgemuntert | |||||||
oder angestiftet; da es vielmehr Ihre eigene Wahl ist; auch | |||||||
kan ich, wenigstens jetzt noch nicht Sie mit demselben, wie ich Sinnes | |||||||
war, bekannt machen, weil es ihm alsdann leichtlich falsche Freundschaft | |||||||
zu seyn scheinen möchte. Übrigens zweifle ich gar nicht, daß der | |||||||
Ton Ihrer Schrift nichts für diesen guten und sonst aufgeweckten, | |||||||
jetzt aber, wie mir es scheint, etwas hypochondrischen Mann, hartes | |||||||
oder kränkendes enthalten werde. | |||||||
Ihr Vorhaben Werthester Freund aus meinen critischen Schriften | |||||||
einen Auszug zu machen, da Sie von deren Warheit und Nützlichkeit | |||||||
überzeugt zu seyn bezeugen, ist ein für mich sehr interessantes Versprechen; | |||||||
da ich meines Alters wegen dazu selbst nicht mehr wohl | |||||||
auferlegt bin und unter allen, die diesem Geschäfte sich unterziehen | |||||||
möchten, der Mathematiker mir der liebste seyn muß. Die Ihnen, die | |||||||
eigene Moral betreffende, vorgekommene Schwierigkeiten bitte mir zu | |||||||
eröfnen. Mit Vergnügen werde ich sie zu heben suchen und ich hoffe | |||||||
es leisten zu können, da ich das Feld derselben oft und lange nach | |||||||
allen Richtungen durchkreutzt habe. | |||||||
Die mir zugesandte Probe Ihrer Abhandlung behalte ich zurück, | |||||||
weil in Ihrem Briefe nicht angemerkt ist, daß ich sie zurückschicken solle | |||||||
Aber darinn kan ich mich nicht finden; was Sie zum Schlusse | |||||||
Ihres Briefes anmerken, daß Sie ihn auf mein Verlangen für dasmal | |||||||
nicht frankirten und dennoch habe ich ihn frankirt bekommen. Thun | |||||||
Sie doch dieses künftig bey Leibe nicht. Der Aufwand bey unserer | |||||||
Correspondenz ist für mich unerheblich für Sie aber jetzt sowohl als | |||||||
noch eine ziemliche Zeit hin erheblich gnug, um die letztere deswegen | |||||||
bisweilen auszusetzen welches für mich Verlust wäre. | |||||||
Daß Hr. Prof. Kraus alle Gelehrte gern zu Hagestoltzen machen | |||||||
möchte, die, weil so viel Kinder bald nach der Geburt sterben, sich | |||||||
unter einander bereden, keine mehr zu zeugen, gehört zu seinen fest | |||||||
beschlossenen Grundsätzen, von denen unter allen Menschen wohl keiner | |||||||
weniger als ich im Stande seyn würde ihn abzubringen. In Ansehung | |||||||
der Parthey, die Sie in diesem Puncte zu nehmen haben, | |||||||
bleiben Sie, was mich betrift, noch immer völlig frey. Ich verlange | |||||||
mich nicht einer Autorsünde theilhaftig zu machen und wegen der Gewissensscrupel, | |||||||
die Ihnen darüber etwa dereinst entspringen oder von | |||||||
Andern erregt werden möchten, die Schuld zu tragen: und bleibe | |||||||
übrigens mit aller Hochschätzung und Freundschaft | |||||||
ergebenster Diener | |||||||
Koenigsberg | I Kant | ||||||
den 2. Nov. 1791 | |||||||
[ abgedruckt in : AA XI, Seite 303 ] [ Brief 495a ] [ Brief 497 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |