Kant: Briefwechsel, Brief 476, Von Franéois Théodore de la Garde. |
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Von Franéois Théodore de la Garde. | |||||||
5. Iuli 1791. | |||||||
Ew Wohlgebohrn | |||||||
berichtete ich in mein letztes Schreiben, da | |||||||
ich gesonnen wäre, noch in diesem Sommer, eine neue Auflage von | |||||||
der Critik der Urteilskraft mit Ihrer Genehmigung zu veranstalten; | |||||||
indeßen ersehe ich, laut dem nach der letzten Meße gemachten Inventario, | |||||||
daß mir noch 122 Ex[emplare] von der ersten Auflage übrig bleiben, mit | |||||||
welcher Anzahl ich bis zu Anfang künftiger OsterMeße, so viel sich | |||||||
in solchen Fällen voraus sehen läst, auszukommen gedenke. Daher | |||||||
ich Ew. Wohlgebohrn hiemit gehorsamst ersuche, falls Ihre übrigen | |||||||
Geschäfte es erlauben, die Gefälligkeit zu haben, mir zu Ende des | |||||||
künftigen Octobermonaths, das revidirte Exemplar der Critik gütigst | |||||||
zukommen zu laßen, weil ich gerne, gleich nach meiner Rükkunft von | |||||||
der MichaelMeße den Druk der Neuen Auflage beginnen möchte. Wäre | |||||||
es Ihnen gefällig, daß ich, zum Behuf der Revision ein Exemplar | |||||||
mit weißem Papiere durchschießen und Ihnen selbiges mit erster Gelegenheit | |||||||
zukommen ließe? so erwarte ich hierüber Ihre Befehle, denen | |||||||
ich pünklich nachkommen würde. | |||||||
Vor ein paar Tagen sprach ich Herrn Dr: Biester zum ersten | |||||||
mahle nach seiner Rükkunft aus Preußen und vernahm durch ihn, mit | |||||||
nicht geringen Befremden, daß Ew: Wohlgebohrn auf mich ungehalten | |||||||
wären, weil Sie in der Vermutung ständen, als habe ich den Verlag | |||||||
von Herrn Dr: Kiesewetters Logik mit Vorsatz verheimliget. | |||||||
Mir ist keine Uhrsache bekannt, die mich hätte bewegen können, | |||||||
den Druk dieses Werks mit irgend einer Heimlichkeit zu besorgen. Da | |||||||
es indeßen geschehen, daß Sie vor der Erscheinung deßelben keine Nachricht | |||||||
von seiner künftigen Existenz gehabt haben, ist freylich ein sonderbahrer | |||||||
Zufall, den Sie mir erlauben werden näher auseinanderzusezzen, wobey | |||||||
meine Rechtfertigung sich von selbst ergeben wird, dahingegen ich es | |||||||
Herrn Kiesewetter überlaßen muß, das Nöthige zu der seinigen selbst | |||||||
anzuführen. | |||||||
Einige Zeit vor der Reise, die Herr Kiesewetter im vorigen | |||||||
Sommer nach Koenigsb: unternahm, both er mir seine Logik im Verlage | |||||||
an und bemerkte dabey, daß er Ew: Wohlgebohrn, bey seiner | |||||||
Anwesenheit in Königsberg, sein Werk communiciren wolle. Ich nahm | |||||||
sie an, empfing von ihm das Mscrt. etwa 10 Wochen vor der Meße, | |||||||
besorgte den Druk mit der erforderlichen Eyle und erfuhr wehrend den | |||||||
Druk, daß das Werk Ihnen dedicirt werden würde. Denselben Tag, | |||||||
da der letzte Bogen noch naß aus der Drukerey anlangte, fand ich | |||||||
Gelegenheit Herrn KriegsRath Scheffner ein Ex: der Logik den übrigen | |||||||
Büchern beyzupaken, die ich ihm zusandte. Dahingegen das DedicationsExemplar | |||||||
später aus der Drukkerey kam, erst eingebunden | |||||||
werden muste, und gleich die Bestimmung hatte, Ihnen durch Herrn | |||||||
Nicolovius überbracht zu werden. Daher es geschehen, daß Herr | |||||||
KrgsR: Sch. der erste in Konigsb. gewesen, welcher ein Ex: der Logik | |||||||
in Händen gehabt, welches auch nicht geschehen wäre, hätte ich nicht | |||||||
von der guten Gelegenheit Gebrauch machen wollen es ihm zukommen | |||||||
zu laßen. | |||||||
Es ist meine Sache nicht, meinen Freunden von meinen künftigen | |||||||
VerlagsUnternehmungen schriftlich zu [unt]erhalten, als etwa dann, wenn | |||||||
ich in den Fall bin, mich Ihres freundschaftlichen Raths erhohlen zu | |||||||
müßen, außerdem ist es Zufall, wenn ich in meinen Briefen davon | |||||||
Erwehnung thue und dieser Zufall ereignete sich bey Gelegenheit der | |||||||
Logik nicht. Die Absicht aber, diese meine Unternehmung bis zur | |||||||
Erscheinung des Werks mit den Schleyer des Geheimnißes zu umhüllen, | |||||||
lag wahrlich nicht zum Grunde. | |||||||
Wie konnte ich einmahl vermuthen, daß Sie von der Erscheinung | |||||||
der Logik nichts wusten, da mir der Verfaßer versichert | |||||||
hatte, daß er Ihnen seine Absicht ein solches Werk zu schreiben, lange | |||||||
schon bekannt gemacht, ja zum Theil seine Hefte Ihnen cummunicirt | |||||||
hatte. - Von dem mir bekannt war, daß es Ihnen selbst dedicirt | |||||||
werden sollte? | |||||||
Wenn ich nun gar keine Uhrsache gehabt habe, von dieser Unternehmung | |||||||
gegen irgend jemand weder etwas zu sagen, noch weniger zu | |||||||
verschweigen; so sehe ich auch nicht wohl ein, wie der gegen mich geäußerte | |||||||
Verdacht mich treten könne? Vielmehr, darf ich von Ihrer | |||||||
billigen DenkungsArt erwarten, daß derselbe durch meine Erklärung | |||||||
nunmehro gäntzlich gehoben sey. | |||||||
Es ist ohne Zweifel als Folge deßen anzunehmen, daß ich nicht | |||||||
die Ehre habe von Ihnen genauer gekannt zu werden, wenn bey Fälle, | |||||||
wo der Schein gegen mich leuchtet, Ew Wohlgebohrn nicht abgeneigt | |||||||
sind, mich gantz im Dunkeln wandeln zu sehen. Sonst darf ich mich | |||||||
schmeichlen, daß Sie überzeugt seyn würden, daß meine Laage es mir | |||||||
nicht zur unangenehmen Nothwendigkeit macht, und daß es überhaupt | |||||||
wieder meine Art zu denken und zu handlen streitet, wenn ich, um | |||||||
ein Verlags-Buch mehr oder weniger zu haben, mich heimlicher Wege | |||||||
bedienen sollte. | |||||||
Mit vorzüglichster Hochachtung und Wehrtschätzung, habe ich die | |||||||
Ehre stets zu seyn | |||||||
Ew Wohlgebohrn | |||||||
gantz ergebenster Diener | |||||||
Berlin den 5. July 1791. | F d LaGarde. | ||||||
[ abgedruckt in : AA XI, Seite 269 ] [ Brief 475 ] [ Brief 476a ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |