Kant: Briefwechsel, Brief 373, Von Iohann Heinrich Kant. |
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| Von Iohann Heinrich Kant. | |||||||
| Altrahden den 21 Aug. 1789. | |||||||
| Mein liebster Bruder! | |||||||
| Es wird wohl nicht unrecht seyn, daß wir nach einer Reihe von | |||||||
| Iahren, die ganz, ohne allen Briefwechsel unter uns verlebt worden, | |||||||
| einander wieder nähern. Wir sind beyde alt wie bald geht einer von | |||||||
| uns in die Ewigkeit hinnüber; billig also, daß wir beyde einmahl das | |||||||
| Andencken der hinter uns liegenden Iahre wieder erneuern; mit dem | |||||||
| Vorbehalt, in der Zukunft, dann und wann (möge es auch selten geschehen, | |||||||
| wenn nur nicht Iahre, oder gar mehr als lustra darüber verfließen) | |||||||
| uns zu melden, wie wir leben, quomodo valemus . | |||||||
| Seit 8 Iahren, da ich das Schuljoch abwarf, lebe ich noch immer | |||||||
| als Volckslehrer einer Bauergemeine, auf meinem Altrahdenschen | |||||||
| Pastorate, und nähre mich, und meine ehrliche Familie frugalement | |||||||
| und gnügsam von meinem Acker: | |||||||
| Rusticus abnormis sapiens crassaque Minerva . | |||||||
| Mit meiner guten und würdigen Gattin führe ich eine glückliche liebreiche | |||||||
| Ehe, und freue mich, daß meine 4: wohlgebildete, gutartige, folgsame | |||||||
| Kinder, mir die beynahe untrügliche Erwartung gewähren, daß sie | |||||||
| einst brave, rechtschaffene Menschen seyn werden. Es wird mir nicht sauer, | |||||||
| bey meinen wirklich schweren Amtsgeschäften, doch ganz allein ihr Lehrer zu | |||||||
| seyn: und dieses Erziehungsgeschäfte, unsrer lieben Kinder ersetzet mir und | |||||||
| meiner Gattin hier in der Einsamkeit den Mangel des gesellschaftlichen | |||||||
| Umganges. Dieses ist nun die Skizze meines immer einförmigen | |||||||
| Lebens. | |||||||
| Wohlan liebster Bruder! so laconisch als du nur immer wilst | |||||||
| ( ne in publica Commoda pecces , als Gelehrter und Schriftsteller) la | |||||||
| es mir doch wissen, wie dein Gesundheitszustand bishero gewesen, wie | |||||||
| er gegenwärtig ist; was du als Gelehrter, zur Aufklärung der Welt, und | |||||||
| Nachwelt noch in Petto habest: Und dann! wie es meinen noch lebenden | |||||||
| lieben Schwestern, und den Ihrigen, wie es dem einzigen Sohne | |||||||
| meines seel: verehrungswürdigen väterlichen Oncle Richter gehe. | |||||||
| Gerne bezahle ich Postgeld für deinen Brief, und sollte er auch nur | |||||||
| eine octav Seite einnehmen. Doch Watson ist in Königsberg der | |||||||
| dich gewis besucht haben wird; Er wird ohnfehlbar, bald wieder nach | |||||||
| Curland zurückkommen: Der könte mir ja einen Brief von Dir den | |||||||
| ich so sehnlich wünsche mitbringen. Unser bisheriger Professor der | |||||||
| Geschichte Jaeger den du aus einem Briefwechsel, seinen in Königsberg | |||||||
| studierenden Stiefsohn Pacz betreffend schon kennest, ist gewis schon | |||||||
| Königsb: passirt er geht ins würtenbergische, sein Vaterland zurück. | |||||||
| Wenn du ihn persönlich kennen gelernet; so hat er dir ohne Zweifel | |||||||
| gesaget, daß er mein warmer Freund war. Der junge Mensch der | |||||||
| dir diesen Brief einhändigt Namens Labowsky: ist der Sohn, eines | |||||||
| würdigen, rechtschaffenen polnischen reformirten Predigers, des radcziwilschen | |||||||
| Städtchen Birsen: er geht nach Franckfurt an der Oder, daselbst | |||||||
| als Stipendiat zu studieren. Ohe! jam satis est ! Gott erhalte | |||||||
| dich noch lange und gewähre mir bald von deiner Hand die angenehme | |||||||
| Nachricht daß du gesund und zufrieden lebest. Mit dem redlichsten | |||||||
| Herz, und nicht perfunctorie zeichne ich mich deinen dich aufrichtig | |||||||
| liebenden | |||||||
| Bruder | |||||||
| Iohann Heinrich Kant: | |||||||
| Meine liebe Gattin umarmet dich schwesterlich, und danket nochmahlen | |||||||
| herzlich für die Hausmutter, die du ihr vor einigen Iahren | |||||||
| überschicktest: Hier kommen nun meine lieben Kinder, und wollen sich | |||||||
| durchaus, in diesem Briefe à la file hinstellen | |||||||
| Ia verehrungswürdiger Herr Oncle ja geliebte Tanten: wir wollen | |||||||
| durchaus daß Sie unser Daseyn wissen, uns lieben, und nicht vergessen | |||||||
| sollen; Wir werden Sie von Herzen lieben und verehren, wir | |||||||
| alle die wir uns eigenhändig unterzeichnen. | |||||||
| Amalia Charlotta Kant. | |||||||
| Minna Kant. | |||||||
| Friedrich Willhelm Kant. | |||||||
| Henriette Kant. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA XI, Seite 071 ] [ Brief 372 ] [ Brief 373a ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
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