Kant: AA XXIII, Vorarbeiten zum Streit der ... , Seite 437 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
Verknüpfungen:
|
|
||||
01 | Der Stoiker sprach von Pflichten aber stellte sich den Menschen | ||||||
02 | darum nicht als verbindlich vor sondern als erhaben und von Würde - | ||||||
03 | daher der Begrif des Tugendhaften als des Weisen der aller Verbindlichkeit | ||||||
04 | entschlagen von selbst das Gute thut. Daher andern Gutes thun aus | ||||||
05 | Gnade nicht aus Verbindlichkeit - das macht der Mensch war in ihren | ||||||
06 | Augen nur roh (von Natur) aber der Weise selbst fing nicht von der Besserung | ||||||
07 | des Bösen sondern der Cultur des Guten an. | ||||||
08 | Der Begrif Demuth hat im lateinischen keine Benennung und bedeutet | ||||||
09 | etwas was zwar die Würde der Menschheit in unserer Person | ||||||
10 | nicht verringert aber die Würde des Menschen in Schatten stellt. | ||||||
11 | LBl G 19 R III 65-67 |
||||||
12 | Erste Seite |
||||||
13 | Das größte und einzig=practische aller Geheimnisse ist die Wiedergeburt | ||||||
14 | wodurch er den Leib dieses Todes ablegt und in einem neuen | ||||||
15 | Leben zu wandeln anhebt. Dies Mysterium deckt uns kein Hierophant | ||||||
16 | auf sondern der Geist des Menschen selbst der den todten Buchstaben | ||||||
17 | des Gesetzes verläßt und den Göttlichen Sinn desselben erfaßt sich aber | ||||||
18 | diese Umwandelung selbst nicht erklären kann. | ||||||
19 | Die Religionslehre als Enthüllung (revelatio) setzt eine Glaubenslehre | ||||||
20 | als Verhüllung (Mysterium) d. i. einen historischen Glauben | ||||||
21 | voraus von einer Wundergeschichte Da Gott spricht durch seinen Sohn | ||||||
22 | der Gehorsam ist bis zum Tode um den göttlichen moralischen Willen | ||||||
23 | zu vollführen und sein Ebenbild ist. Der für seine Lehre stirbt aber eben | ||||||
24 | dadurch sich auch die Unsterblichkeit erwirbt. Deren alle die an ihn glauben | ||||||
25 | zugleich Theilnehmer werden. | ||||||
26 | Die Geschichte einer solchen Person und ihres Wandels auf Erden | ||||||
27 | zu kennen und glauben ist nicht jedes Menschen Sache und ein dem | ||||||
28 | Menschen durch Versprechung der Seeligkeit abgelokter oder durch | ||||||
29 | Bedrohung mit Verdamnis abgezwungener Glaube enthält einen Wiederspruch; | ||||||
30 | denn jeder Glaube ist frey. - Wie soll der Lehrer nun die Schrift | ||||||
31 | brauchen? So daß indem er sie nach vorhergegangener Unterweisung | ||||||
32 | in der Vernunftreligion welche rein=moralisch ist dieser ihre Lebensvorschriften | ||||||
33 | so vorträgt wie sie sich am besten mit dem historischen der | ||||||
34 | Bibel vereinigen lassen ohne zu fragen ob die Schriftsteller der Bibel | ||||||
35 | auch gerade dasselbe dabey gedacht haben denn alle Religion muß | ||||||
36 | a priori aus der Vernunft des Menschen entwickelt werden und das | ||||||
37 | historische dient nur zur illustration nicht zur demonstration. | ||||||
[ Seite 436 ] [ Seite 438 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |