Kant: AA XXIII, Vorarbeiten zur Religion innerhalb der ... , Seite 114 |
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01 | LBl G 17 R III 57-62 |
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02 | Erste Seite |
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03 | Daß ein altes heiliges Buch als Geschichte eines davon ausgehenden | ||||||
04 | neuen Glaubens nicht allein zum Behuf der Gelehrsamkeit sondern selbst | ||||||
05 | der Erbauung aufbehalten und beherzigt zu werden verdiene | ||||||
06 | Mendelssohn benutzt diese schwache Seite der gewöhnlichen Vorstellungsart | ||||||
07 | des Christenthums sehr geschickt um alles Ansinnen an einen | ||||||
08 | Sohn Israëls abzulehnen seinen alten Glauben gegen den neuen zu | ||||||
09 | vertauschen denn da jener selbst nach der Christen Eingeständnis das untere | ||||||
10 | Geschoß ausmacht worüber der Christliche Glaube errichtet ist und worauf | ||||||
11 | sie auch ruht so wäre es eben so viel als wenn man jenen zumuthen wollte | ||||||
12 | das Erdgeschoß abzubrechen um sich in dem obersten Stockwerk ansäßig | ||||||
13 | zu machen - der eben so kluge als wohldenkende Mann wollte nur nicht | ||||||
14 | recht mit der Sprache heraus: Man kann aber seine Meynung wohl | ||||||
15 | durchscheinen sehen. Er wollte sagen: Schafft ihr nur erst selbst das Judenthum | ||||||
16 | aus eurer Religion heraus (in der historischen Glaubenslehre mag | ||||||
17 | es immer bleiben) so werden wir uns wegen der Parthey die wir zu | ||||||
18 | nehmen haben entschließen können; in der That bleibt alsdann keine | ||||||
19 | andere als reine moralische von allen Statuten unbemengte Religion | ||||||
20 | übrig: so aber würde zwar unser Joch der Observanzen gewissermaßen | ||||||
21 | das Glaubensjoch aber was dem Gewissen das schweerste ist nicht im mindesten | ||||||
22 | erleichtert - Sonst werden die alten heiligen Schriften dieses | ||||||
23 | Volks als zur Gelehrsamkeit gehörig schwerlich aus der Geschichte jemals | ||||||
24 | entbehrt werden können | ||||||
25 | Um dieses an einem Beyspiel zu zeigen, nehme man Psalm 59 | ||||||
26 | v. 11—16 wo der rachgierige Character des damaligen Judenthums | ||||||
27 | bis zum Entsetzen und doch als zu ihrer Gottseeligkeit gehörig ausgedrückt | ||||||
28 | wird. Michaëlis (Moral 2ter Theil S. 202) billigt das Gebet | ||||||
29 | dieses Volks um Rache und sagt: „die Psalmen sind inspirirt wird in | ||||||
30 | diesen um Strafe gebeten so kann es nicht unrecht seyn und wir | ||||||
31 | sollen keine heiligere Moral haben als die Bibel” Wenn aber die Stelle | ||||||
32 | der Bibel N. T. zu den Alten ward gesagt Ich aber sage euch liebet eure | ||||||
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