Kant: AA XXIII, Vorarbeit zu den Prolegomena zu einer ... , Seite 062

   
         
 

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  01

Zweiter Bogen, 2. Seite

   
         
  02 Behauptungen ist man satt: man will die Möglichkeit dieser Wissenschaft,    
  03 die Qvellen, aus denen Gewisheit in derselben abgeleitet werden könne,    
  04 und sichere Criterien haben, den dialectischen Schein der reinen Vernunft    
  05 von der Warheit zu unterscheiden. Hierzu muß der Recens: den Schlüssel    
  06 besitzen, sonst würde er nimmermehr aus so hohem Tone gesprochen    
  07 haben.    
         
  08 Aber ich gerathe auf den Verdacht, daß ihm ein solches Bedürfnis    
  09 der Wissenschaft vielleicht niemals in Gedanken gekommen seyn mag,    
  10 denn sonst würde er seine Beurtheilung auf diesen Punct gerichtet und    
  11 selbst ein fehlgeschlagener Versuch, in einer so wichtigen Angelegenheit,    
  12 bey ihm Achtung erworben haben. Wenn das ist, so sind wir wieder gute    
  13 Freunde. Er mag sich so tief in seine Metaphysik hinein denken als ihm    
  14 gut dünkt, daran soll ihn niemand hindern, nur über das, was außer der    
  15 Metaphysik liegt, die in der Vernunft befindliche Qvelle derselben, kan    
  16 er nicht urtheilen. Daß mein Verdacht aber nicht ohne Grund sey, beweise    
  17 ich dadurch: daß er von der Moglichkeit der synthetischen    
  18 Erkentnis a priori, welche die eigentliche Aufgabe war, auf deren    
  19 Auflösung das Schicksal der Metaphysik gänzlich beruht und worauf meine    
  20 Critik (eben so wie hier meine Prolegomena) ganz und gar hinauslief,    
  21 nicht ein Wort erwähnete. Der Idealism, auf den er stieß und an welchem    
  22 er auch hängen blieb, war nur, als das einige mögliche Mittel jene Aufgabe    
  23 aufzulösen, in den Lehrbegrif aufgenommen (wiewohl er dann auch    
  24 noch aus anderen Gründen vor sich selbst Bestätigung erhielt); und da    
  25 hätte er zeigen müssen, daß entweder jene Aufgabe die Wichtigkeit nicht    
  26 habe, die ich ihr (wie auch jetzt in den Prolegomena) in meinem ganzen    
  27 Werke beylege, oder daß sie durch meinen Begrif von Erscheinungen gar    
  28 nicht, oder auch auf andere Art besser könne aufgelöset werden, davon    
         
     

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