Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 306

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Das moralische Argument würde also ein argumentumkat anthropon      
  02 heißen können, gültig für Menschen, als vernünftige Weltwesen      
  03 überhaupt, und nicht blos für dieses oder jenes Menschen zufällig angenommene      
  04 Denkungsart, und vom theoretisch-dogdogmatischen kat aletheian,      
  05 welches mehr für gewiß behauptet, als der Mensch wohl wissen kann,      
  06 unterschieden werden müssen.      
           
  07

II.

     
           
  08

Vermeynte theoretisch-dogdogmatische Fortschritte

     
  09

in der moralischen Theologie, während der

     
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Leibnitz-Wolfischen Epoche.

     
           
  11 Es ist zwar für diese Stufe des Fortschrittes der Metaphysik von      
  12 gedachter Philosophie keine besondre Abtheilung gemacht, sondern      
  13 sie vielmehr der Theologie, im Kapitel vom Endzweck der Schöpfung,      
  14 angehängt worden, aber sie ist doch in der darüber gegebenen Erklärung,      
  15 daß dieser Endzweck die Ehre Gottes sey, enthalten, wodurch nichts      
  16 andres verstanden werden kann, als daß in der wirklichen Welt eine      
  17 solche Zweckverbindung sey, die, im Ganzen genommen, das höchste in      
  18 einer Welt mögliche Gut, mithin die teleologische oberste Bedingung      
  19 des Daseyns derselben enthalte, und einer Gottheit als moralischen      
  20 Urhebers würdig sey.      
           
  21 Es ist aber, wenn gleich nicht die ganze, doch die oberste Bedingung      
  22 der Weltvollkommenheit, die Moralität der vernünftigen Weltwesen,      
  23 welche wiederum auf dem Begriffe der Freyheit beruht, deren, als      
  24 unbedingter Selbstthätigkeit, diese sich wiederum selbst bewußt seyn      
  25 müssen, um moralisch gut seyn zu können, unter deren Voraussetzung      
  26 aber es schlechterdings unmöglich ist, sie als durch Schöpfung, also durch      
  27 den Willen eines Andern entstandene Wesen, theoretisch nach dieser      
  28 ihrer Zweckmäßigkeit zu erkennen, so wie man diese wohl an vernunftlosen      
  29 Naturwesen einer von der Welt unterschiedenen Ursache zuschreiben,      
  30 und diese sich also mit physisch-dogteleologischer Vollkommenheit      
  31 unendlich mannigfaltig versehen vorstellen kann, dagegen die moralisch-dogteleologische,      
  32 die auf den Menschen selbst ursprünglich gegründet seyn      
  33 muß, nicht die Wirkung, also auch nicht der Zweck seyn kann, den ein      
  34 Anderer zu bewirken sich anmaßen könne.      
           
  35 Obgleich nun der Mensch in theoretisch-dogdogmatischer Rücksicht      
  36 die Möglichkeit des Endzweckes, darnach er streben soll, den er aber nicht      
           
           
           
     

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