Kant: AA XX, Preisschrift über die ... , Seite 274

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Begriff ist, so enthält er als Merkmal, d.i. als Theilvorstellung, etwas,      
  02 was in der Sinnenanschauung schon begriffen war, und nur der logischen      
  03 Form, nämlich der Gemeingültigkeit nach, sich von der Anschauung der      
  04 Sinne unterscheidet, z.B. der Begriff eines vierfüßigen Thieres in der      
  05 Vorstellung eines Pferdes.      
           
  06 Ist aber der Begriff eine Kategorie, ein reiner Verstandesbegriff,      
  07 so liegt er ganz außerhalb aller Anschauung, und doch muß ihm eine      
  08 solche untergelegt werden, wenn er zum Erkenntniß gebraucht werden      
  09 soll, und wenn dies Erkenntniß ein Erkenntniß a priori seyn soll, so muß      
  10 ihm reine Anschauung untergelegt werden, und zwar der synthetischen      
  11 Einheit der Apperception des Mannigfaltigen der Anschauung, welche      
  12 durch die Kategorie gedacht wird, gemäß, d.i. die Vorstellungskraft muß      
  13 dem reinen Verstandesbegriff ein Schema a priori unterlegen, ohne das er      
  14 gar keinen Gegenstand haben, mithin zu keinem Erkenntniß dienen könnte.      
           
  15 Da nun alle Erkenntniß, deren der Mensch fähig, sinnlich, und      
  16 Anschauung a priori desselben Raum oder Zeit ist, beyde aber die      
  17 Gegenstände nur als Gegenstände der Sinne, nicht aber als Dinge      
  18 überhaupt vorstellen: so ist unser theoretisches Erkenntniß überhaupt      
  19 ob es gleich Erkenntniß a priori seyn mag, doch auf Gegenstände der      
  20 Sinne eingeschränkt, und kann innerhalb diesem Umfange allerdings      
  21 dogmatisch verfahren, durch Gesetze, die sie der Natur, als Inbegriff      
  22 der Gegenstände der Sinne, a priori vorschreibt, über diesen Kreis aber      
  23 nie hinaus kommen, um sich auch theoretisch mit ihren Begriffen zu      
  24 erweitern.      
           
  25 Das Erkenntniß der Gegenstände der Sinne, als solcher, d.i. durch      
  26 empirische Vorstellungen, deren man sich bewußt ist (durch verbundene      
  27 Wahrnehmungen), ist Erfahrung. Demnach übersteigt unser theoretisches      
  28 Erkenntniß niemals das Feld der Erfahrung. Weil nun alles theoretische      
  29 Erkenntniß mit der Erfahrung zusammen stimmen muß: so wird dieses      
  30 nur auf eine oder die andere Art möglich, nämlich daß entweder die      
  31 Erfahrung der Grund unserer Erkenntniß, oder das Erkenntniß der      
  32 Grund der Erfahrung ist. Giebt es also ein synthetisches Erkenntniß      
  33 a priori, so ist kein andrer Ausweg, als es muß Bedingungen a priori      
  34 der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt enthalten. Alsdann aber enthält      
  35 sie auch die Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung      
  36 überhaupt, denn nur durch Erfahrung können sie für uns erkennbare      
  37 Gegenstände seyn. Die Prinzipien a priori aber, nach denen      
  38 allein Erfahrung möglich ist, sind die Formen der Gegenstände, Raum      
  39 und Zeit, und die Kategorien, welche die synthetische Einheit des      
           
           
           
     

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