Kant: AA XX, Erste Einleitung in die Kritik der ... , Seite 235

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Vernunft sich als technisch vorzustellen (und so der Natur Zweckmäßigkeit,      
  02 und so gar Zwecke beyzulegen), ist ein besonderer Begrif, den      
  03 wir in der Erfahrung nicht antreffen können und den nur die Urtheilskraft      
  04 in ihre Reflexion über Gegenstände legt, um nach seiner Anweisung      
  05 Erfahrung nach besonderen Gesetzen, nämlich denen der Möglichkeit      
  06 eines Systems, anzustellen.      
           
  07 Man kann nämlich alle Zweckmäßigkeit der Natur entweder als      
  08 natürlich (Forma finalis naturae spontanea) oder als absichtlich      
  09 (intentionalis) betrachten. Die bloße Erfahrung berechtigt nur zu der      
  10 erstern Vorstellungsart; die zweyte ist eine hypothetische Erklärungsart,      
  11 die über jenen Begrif der Dinge als Naturzwecke hinzukömmt. Der erstere      
  12 Begrif von Dingen, als Naturzwecken, gehört ursprünglich der reflectirenden      
  13 (obgleich nicht ästhetisch, sondern logisch reflectirenden)      
  14 der zweyte der bestimmenden Urtheilskraft zu. Zu dem erstern wird      
  15 zwar auch Vernunft, aber nur zum Behuf einer nach Principien anzustellenden      
  16 Erfahrung (also in ihrem immanenten Gebrauche), zu      
  17 dem zweyten aber sich ins Überschwengliche versteigende Vernunft (im      
  18 transscendenten Gebrauche) erfordert.      
           
  19 Wir können und sollen die Natur, so viel in unserem Vermögen ist,      
  20 in ihrer Caussalverbindung nach blos mechanischen Gesetzen derselben      
  21 in der Erfahrung zu erforschen bemühet seyn: denn in diesen liegen die      
  22 wahren physischen Erklärungsgründe, deren Zusammenhang die wissenschaftliche      
  23 Naturkenntniß durch die Vernunft ausmacht. Nun finden wir      
  24 aber unter den Producten der Natur besondere und sehr ausgebreitete      
  25 Gattungen, die eine solche Verbindung der wirkenden Ursachen in sich      
  26 selbst enthalten, der wir den Begrif eines Zwecks zum Grunde legen      
  27 müssen, wenn wir auch nur Erfahrung, d.i. Beobachtung nach einem      
  28 ihrer inneren Möglichkeit angemessenen Princip, anstellen wollen.      
  29 Wollten wir ihre Form und die Möglichkeit derselben blos nach mechanischen      
  30 Gesetzen, bey welchen die Idee der Wirkung nicht zum Grunde      
  31 der Möglichkeit ihrer Ursache, sondern umgekehrt genommen werden muß      
  32 beurtheilen, so wäre es unmöglich von der specifischen Form dieser Naturdinge      
  33 auch nur einen Erfahrungsbegrif zu bekommen, der uns in den Stand      
  34 setzte, aus der innern Anlage derselben als Ursache auf die Wirkung zu      
  35 kommen, weil die Theile dieser Maschinen, nicht so fern ein jeder für sich      
  36 einen abgesonderten, sondern nur alle zusammen einen gemeinschaftlichen      
  37 Grund ihrer Möglichkeit haben, Ursache von der an ihnen sichtbaren      
           
    04 seiner δ Anl Er      
    14 zu g.Z. (Kant), erst: an      
           
           
     

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