Kant: AA XVIII, Metaphysik Zweiter Theil , Seite 320

     
           
 

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  01
Anmerkungen zu diesem Aufsatz.
     
           
  02 Die Handlung der Einbildungskraft, einem Begriff eine Anschauung      
  03 zu geben, ist exhibitio. Die Handlung der Einbildungskraft aus einer      
  04 empirischen Anschauung einen Begrif zu machen ist comprehensio.      
           
  05 Auffassung der Einbildungskraft, apprehensio aesthetica. Zusammenfassung      
  06 derselben, comprehensio aesthetica (ästhetisches Begreifen),      
  07 ich fasse das Mannigfaltige zusammen in eine ganze Vorstellung      
  08 und so bekommt sie eine gewisse Form.      
           
   

 

5662.   1788—1790.   L Bl. Kiesewetter 2.   R.-Sch. XI 1 S. 263—5. Hb. IV S. 500—2. Ki. L S. 194—-6.
 
     
  11
Über Wunder.
     
           
  12 Es kann weder durch ein Wunder, noch durch ein geistiges Wesen      
  13 in der Welt eine Bewegung hervorgebracht werden, ohne eben so viel Bewegung      
  14 in entgegengesetzter Richtung zu wirken, folglich nach Gesetzen      
  15 der Wirkung und Gegenwirkung der Materie, denn widrigenfalls würde      
  16 eine Bewegung des Universi im leeren Raum entspringen.      
           
  17 Es kann aber auch keine Veränderung in der Welt (also kein Anfang      
  18 jener Bewegung) entspringen, ohne durch Ursachen in der Welt nach      
  19 Naturgesetzen überhaupt bestimmt zu seyn, also nicht durch Freiheit oder      
  20 eigentliche Wunder; denn weil nciht die Zeit die Ordnung der Begebenheiten      
  21 bestimmt, sondern umgekehrt die Begebenheiten, d.i. die Erscheinungen      
  22 nach dem Gesetze der Natur (der Causalität) die Zeit bestimmen,      
  23 so würde eine Begebenheit, die unabhängig davon in der Zeit      
  24 gesch/ahe, oder bestimmt wäre, einen Wechsel in der leeren Zeit voraussetzen,      
  25 folgich die Welt selbst in der absoluten Zeit ihrem Zustande nach      
  26 bestimmt seyn.      
           
  27
Anmerkungen.
     
           
  28 1. Man kann die Wunder eintheilen in äußere und innere, d.h.      
  29 in Veränderungen der Erscheinungen für den äußeren und in die für den      
  30 innern Sinn. Jene geschehen im Raume, diese in der Zeit. Wären      
  31 Wunder im Raume möglich, so wäre es möglich, daß Erscheinungen geschehen,      
  32 bei denen nicht Wirkung und Gegenwirkung gleich groß sind.      
  33 Alle Veränderungen im Raume sind nämlich Bewegung. Eine Bewegung      
  34 aber, die durch ein Wunder hervorgebracht werden soll, deren Ursache soll      
  35 nicht in den Erscheinungen zu suchen seyn. Das Gesetz der Wirkung und      
     

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