Kant: AA XV, Reflexionen zur Anthropologie. , Seite 606

   
         
 

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    1392.   π.   M 298'.
 
   
  02 Wer einmal eine überwiegende Gewalt hat, schrankt sie nicht von    
  03 selbst ein und giebt anderen macht, sie ihm Wiederstand zu leisten.    
         
  04 (g Den Großen wird eben darum, weil sie groß sind, geschmeichelt.    
  05 sie könen sich nicht bessern. )    
         
   

 

1393.   π.   M 300'.   E I 673.
 
   
  07 (g Inwendig: obrigkeitliche Gewalt; auswerts: vertheidigende    
  08 Macht. )    
         
  09 Der Gesetzliche (obrigkeitliche) Zwang befordert die Entwikelung    
  10 der Talente; in dem Character aber bessert es nicht, sondern verfeinert,    
  11 daher Tugend und Laster steigen. Es wird daher zur letzten Bestimung    
  12 der Menschen der Moralische Zwang gehören. Da nemlich niemand Ehre,    
  13 Umgang, Amt, ia so gar ein Weib erlangen wird ohne Rechtschaffenheit    
  14 und Merkmale guter Gesinnungen. Diese Veranderung ist der menschlichen    
  15 Natur gemäß, und der Keim dazu liegt in ihr. Denn wir sind schon so    
  16 dazu geneigt zu wünschen, daß dem Laster mehr in den Weg gelegt würde.    
  17 Aber der obrigkeitliche und andere außere Zwang würde schädlich hiebey    
  18 seyn, bevor die Denkungsart allgemein verbessert würde. Die philosophen    
  19 sind durch ihre Geschafte schon am meisten unabhangig von statuten. Sie    
  20 müssen die wahre Grundsatze allgemein machen. Die Geistliche, ihre    
  21 Schüler, müssen die Religion darnach modeln. Und die Erziehung der    
  22 regenten. Regenten werden den Weltfrieden zu stiften suchen. Hernach    
  23 die innere Einrichtung der Freyheit, des Rechts und der Macht. Und denn    
  24 werden die Erziehungen auch unter den Augen des gemeinen Wesens    
  25 geschehen.    
         
  26 Die Wissenschaften gehören gewiß nicht zur Bestimmung des einzelnen    
  27 Menschen, aber zur Bestimmung des menschlichen Geschlechts. Der    
  28 einzelne Mensch hat seine vornehmste Bestimung auf die Thierheit, aber    
  29 das Ganze Geschlecht auf die Verstandesvollkommenheit, doch mit Abbruch    
  30 der ersteren.    
         
     

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