Kant: AA XIV, Physische Geographie. , Seite 573

     
           
 

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  01 ihres Ausflusses. Sie müßen also nothwendig durch die nach und nach      
  02 verminderte Erhöhung des festen Landes abnehmen. Der Nil würde längst      
  03 nicht mehr Aegypten überschwemmt haben, wenn er etliche hundertausend      
  04 Jahre eher gefloßen wäre. Ferner vermindert die Immerwährende Bewegung      
  05 des Mers von Morgen gegen Abend die Umdrehung desselben,      
  06 die von Abend gegen Morgen geht. Dieses würde die Bewegung der Erde      
  07 längstens zum Stillstand gebracht haben, wenn sie von Ewigkeit her wäre.      
  08 Die Erde hat also einen Anfang genommen.      
           
  09 Wenn wir die Geschichte der Erde physikalisch untersuchen wollen, so      
  10 müßen wir uns diesfals nicht an die offenbahrung wenden. Diese eroffnet      
  11 nur die Mittel, wodurch sie Gott zum Wohnplatz der Menschen geschikt      
  12 gemacht hat. Die Große Veränderungen sind vorher gegangen. Sie sind      
  13 zum Theil auch hernach erfolget, nachdem ein Theil der Oberfläche ruhig      
  14 bewohnt war. Die Erde war vorher flüßig. Beweis aus ihrer abgeplattet      
  15 runden Figur. Ihre Oberflache Muß eben gewesen seyn. Das Wasser      
  16 muß die Erde bedekt haben. Die Schichten müßen nach Beschaffenheit      
  17 der Schweere sich gestelt haben geordnet worden seyn. Die Erde ward hart.      
  18 Die Oberfläche härtete sich zuerst. In dem Innern schied sich noch die      
  19 Materie. Die leichte Materien Luft und Wasser sammleten sich auf unter      
  20 der oberfläche der Erde. Die oberste rinde sanck ein. Sie machte hervorragendes      
  21 Land über die Meere und Berge, und dieses zuerst unter dem      
  22 aeqvator. Die Welt wurde bevölkert und mit Gewächsen und Thieren besetzt.      
  23 Wie es möglich gewesen, daß alle Arten von thieren und pflantzen      
  24 sich in einer himmelsgegend befinden können. Diese bevölkerte Welt sunk      
  25 endlich selber ein, da die unterirrdische Hölungen immer größer wurden.      
  26 Dieses ist die Uberschwemmung der Sindfluth. Nach allen so gewaltigen      
  27 Einsinkungen wurde dem Meere ein tiefer Bette bereitet, so daß es nicht      
  28 mehr die Oberfläche der Erde überschwemmen durfte, und allenthalben      
  29 ragte das feste Land hervor. Auf diesem Wurde der Wohnplatz der      
  30 Menschen wieder errichtet. Allein die Erde war durch das lange darüber      
  31 befindliche Wasser alles ihres Saltzes und fruchtbarkeit beraubet      
  32 worden. Ursache der Muscheln und Seethiere, die sich oben auf hohen      
  33 Bergen befinden. Ursache der Saltzigkeit des Meeres. imgleichen der      
     

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