Kant: AA XII, Öffentl. Erklärungen 1799 , Seite 370 |
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Text (Kant):
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01 | ich hoffe, nicht seine Neigung - denn die muß hier ganz schweigen - sondern | ||||||
02 | nur seine Pflichten von allen Seiten zu Rathe ziehn. | ||||||
03 | Leben Sie nun recht wohl, mein lieber Kant! und sein Sie versichert daß ich, | ||||||
04 | mit dem Wunsche: Ihnen mein ganzes Herz und aufrichtiges inneres Bestreben um | ||||||
05 | Wahrheit offen darlegen, und auf reelle Art Ihnen gefällig sein zu können, unveränderlich | ||||||
06 | verharre | ||||||
07 | Ihr | ||||||
08 | redlicher Bruder und Freund | ||||||
09 | Schlettwein. | ||||||
6. | |||||||
11 | Erklärung in Beziehung auf Fichtes Wissenschaftslehre. | ||||||
12 | 7. Aug. 1799. | ||||||
13 | Auf die feierliche, im Namen des Publicums an mich ergangene | ||||||
14 | Aufforderung des Recensenten von Buhle's Entwurf der Transscendental=Philosophie | ||||||
15 | in Nro. 8. der Erlangischen Litteraturzeitung vom | ||||||
16 | 11 ten Ianuar 1799. erkläre ich hiermit: daß ich Fichte's Wissenschaftslehre | ||||||
17 | für ein gänzlich unhaltbares System halte. Denn reine | ||||||
18 | Wissenschaftslehre ist nichts mehr oder weniger als bloße Logik, welche | ||||||
19 | mit ihren Principien sich nicht zum Materialen des Erkenntnisses versteigt, | ||||||
20 | sondern vom Inhalte derselben als reine Logik abstrahirt, aus | ||||||
21 | welcher ein reales Object herauszuklauben vergebliche und daher auch | ||||||
22 | nie versuchte Arbeit ist, sondern wo, wenn es die Transscendental=Philosophie | ||||||
23 | gilt, allererst zur Metaphysik übergeschritten werden muß. Was | ||||||
24 | aber Metaphysik nach Fichte's Principien betrifft: so bin ich so wenig | ||||||
25 | gestimmt, an derselben Theil zu nehmen, daß ich in einem Antwortsschreiben | ||||||
26 | ihm, statt der fruchtlosen Spitzfindigkeiten ( apices ) seine gute | ||||||
27 | Darstellungsgabe zu cultiviren rieth, wie sie sich in der Crit. d. r. V. | ||||||
28 | mit Nutzen anwenden läßt, aber von ihm mit der Erklärung "er werde | ||||||
29 | doch das Scholastische nicht aus den Augen setzen," höflich abgewiesen | ||||||
30 | wurde. Also ist die Frage: ob ich den Geist der Fichteschen Philosophie | ||||||
31 | für ächten Criticismus halte, durch ihn selbst beantwortet, ohne | ||||||
32 | daß ich nöthig habe, über ihren Werth oder Unwerth abzusprechen; da | ||||||
33 | hier nicht von einem beurtheilten Object, sondern dem beurtheilenden | ||||||
34 | Subject die Rede ist; wo es genug ist, mich von allem Antheil an | ||||||
35 | jener Philosophie loszusagen. | ||||||
36 | Hierbey muß ich noch bemerken, daß die Anmaßung, mir die Absicht | ||||||
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