Kant: AA XII, Briefwechsel 1798 , Seite 262 |
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01 | Durch HE. K. R. Borowsky dem ich dergleichen Beschwehrden | ||||||
02 | schwehrer mache - erfahre ich immer etwas von Ihnen und das erfreut | ||||||
03 | mich dann so innigst. | ||||||
04 | Neues kann ich Ihnen nicht viel melden, wenigstens nicht viel | ||||||
05 | interreßantes. Ein Politiker bin ich so wenig, daß ich manchesmahl in | ||||||
06 | acht Tagen keine Zeitungen lese, weil ich das Lügen nicht liebe. Ein | ||||||
07 | Philosoph bin ich auch nur so für das Haus und vor allem Predigen | ||||||
08 | und Kranken Besuchen kann ich kaum meine Freunde mit Versen plagen. | ||||||
09 | Unser lieber König fährt fort für das allgemeine Beste zu sorgen. | ||||||
10 | Privat Häuser bauet er nicht: aber dagegen Chaussees Promenaden etc. | ||||||
11 | und läßt die Straßen gehbar machen, auf welchen man sonst Hals und | ||||||
12 | Bein ganz beqvem brechen konnte - Der Studir Wuth scheint er auch | ||||||
13 | Einhalt thun zu wollen. Es hatte jemand der Real Schule 3000 Thlr. | ||||||
14 | zu einem Stipendium für einen Studirenden schenken wollen. Man | ||||||
15 | schrieb an den König um dieses Capital in die Landschaft a 5 pC aufzunehmen. | ||||||
16 | Er erwiederte. "Er sey kein Freund von solchen Stipendien, | ||||||
17 | weil sie gemeinhin unbrauchbare Menschen zum studiren verleiteten, | ||||||
18 | und es studirten schon viel zu viel. Wenn dieser Wohlthäter | ||||||
19 | das Capital zur Beförderung des Kunst und Gewerbe Fleißes bestimmen | ||||||
20 | wollte - so würde es ihm lieb seyn. Allein der Wohlthäter war mehr | ||||||
21 | auf das Studiren gesteuert und hat sein Geld zurückbehalten. Laudatur | ||||||
22 | ab his culpatur ab illis | ||||||
23 | So eben kome ich vom alten Spalding, der heute mit großer Heiterkeit | ||||||
24 | und Seelen Ruhe in sein 85tes Iahr getreten ist. Er klagte bloß | ||||||
25 | über seine rechte Hand, die nicht mehr so schnell schreiben wollte, als | ||||||
26 | die Gedanken es verlangten. Ach ein glükliches Alter. Wie herzlich | ||||||
27 | wünsche ich auch Ihnen solch Glück. | ||||||
28 | Nun zwinge ich mich die Feder nieder zu legen um nicht lästig | ||||||
29 | und Zeitdiebisch zu werden. Mit der innigen Bitte schließe ich mir | ||||||
30 | Ihre mir so theure Gewogenheit immer zu gönnen; und mit der erneuerten | ||||||
31 | Versicherung, daß ich mit ächtester Hochachtung bin und bleibe | ||||||
32 | Ew. Wohlgebohren | ||||||
33 | gehorsamster Diener und | ||||||
34 | Berlin | dankvollester Schüler | |||||
35 | am 1ten Nov: | Lüdeke | |||||
36 | 1798. | ||||||
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