Kant: AA XII, Briefwechsel 1797 , Seite 216

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Von den Obiekten, die sie afficiren? Was ist aber, das sie afficirt?      
  02 Was sind die Obiekte? sind sie Dinge an sich oder -?      
           
  03 Man tummelt sich hier in Fragen ohne Ende herum und gibt      
  04 zum Theil sehr wiedersinnige Antworten. Mich setzt dieses alles nun      
  05 eben nicht in Verlegenheit; denn wenn man sich in diesen Fragen versteht,      
  06 so kann man sich auch die Antwort geben. Doch ist es nicht      
  07 gleichgültig, wie man sich verständigt; da hier leicht Zweideutigkeiten      
  08 unterlaufen können. Ich will Ihnen in Kurzem sagen, wie ich den      
  09 Schwierigkeiten begegne.      
           
  10 Der Hauptsatz der Kritik, welchen man nie aus den Augen verliehren      
  11 muß, ist dieser: daß ein Rückgang zu dem Wesen und den Bedingungen      
  12 unsers Erkenntnißvermögens, nicht ein Suchen außerhalb      
  13 demselben, ein Spiel mit bloßen Begriffen, sondern eine Darlegung      
  14 der Elemente desselben, wie sie im Actus des Erkennens begriffen      
  15 sind, uns eigentlich über die wesentlichen Probleme der Vernunft      
  16 Auskunft geben können. - Es ist Factum des Bewußtseins,      
  17 daß es zwei verschiedene Quellen zur Erkenntniß gibt; Receptivität      
  18 und Spontaneität. Die zu beweisen ist wiedersinnig, weil sie ursprünglich      
  19 sind. Man kann sich ihrer nur bewußt werden und sie sich selbst      
  20 darlegen. Ob sie gleich zwei verschiedene Grundquellen sind, so sind      
  21 sie doch nur Vermögen eines und desselben Gemüths; und stehen durch      
  22 dieses in Correspondenz mit einander. Wie wir sagen: die Vorstellungen      
  23 des Verstandes entstehen durch Spontaneität, so sagen wir, die Vorstellungen      
  24 der Sinnlichkeit entstehen durch Receptivität.      
           
  25 Die Sinnlichkeit gibt Vorstellungen, dadurch daß sie (oder das      
  26 Gemüth, dessen Vermögen sie ist) afficirt wird. Wenn ich sage:      
  27 Das Gemüth wird afficirt, so subsumire das Sein, (das Gesetztseyn)      
  28 gewisser Vorstellungen unter die Kategorie Kausalität und sage ein      
  29 Verhältniß des Gemüths zu sich selbst aus (Receptivität) welches verschieden      
  30 ist von einem andern Verhältniße des Gemüths zu sich selbst      
  31 (worin es als Spontaneität gedacht wird). Frage ich weiter: was afficirt      
  32 das Gemüth? so sage ich: es afficirt sich selbst, indem es sich Receptivität      
  33 und Spontaneität zugleich ist. - Aber die Spontaneität des      
  34 Gemüths unterwirft die Receptivität eben desselben nun ihren Bedingungen      
  35 der Synthesis (den Kategorien) und das Sinnlichvorgestellte,      
  36 als solches, bekommt dadurch Bestimmung zur Einheit der Apperception      
  37 (intellectuelle Form, Quantität, Qualität, Relation etc.); Woher aber      
           
     

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