Kant: AA XII, Briefwechsel 1797 , Seite 215

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 die Synthesis im empirischen Bewußtsein überhaupt, Nun      
  02 besteht die Synthesis des transscendentalen Bewußtseins in der Kategorie      
  03 Qualität im Setzen (Spontaneität), das Setzen ist aber, als      
  04 Function der Einheit, nur dadurch ein bestimmtes Setzen, daß in ihm      
  05 Position und Negation zu einem Begriff verbunden wird, welches der      
  06 Actus der Gradation ist; diese ist also Bedingung alles Setzens, alles      
  07 Gesetztseins, aller Existenz; mithin etwas a priori Erkennbares in Ansehung      
  08 alles Empirischen (der Empfindung). Der Satz, welcher dieses      
  09 aussagt ist daher auch synthetisch, denn er sagt aus, was zu dem Materialen      
  10 der Sinnlichkeit hinzukommen muß, wenn es Empfindung, ein      
  11 existirendes, sein soll. Wir anticipiren also dadurch wirklich alle Wahrnehmung      
  12 (als Auffassung des Empirischen zur Apperception), denn      
  13 wir stellen ein Gesetz der Möglichkeit derselben auf, indem wir zeigen,      
  14 daß keine Wahrnehmung möglich ist, ohne Setzung durch die transscendentale      
  15 Apperception; die Setzung ist aber als Function der Einheit      
  16 nur dadurch möglich, daß die Apperception gradire, indem weder      
  17 absolute Nichtsetzung (= 0) noch eine ins Unendliche gehende Setzung      
  18 (= G) ein für die Apperception möglicher Actus ist; (weil dadurch      
  19 keine Einheit zu Stande käme, die doch Bedingung der Apperception      
  20 überhaupt ist. - Da nun das Setzen von 0 anhebend biß G fortgehend      
  21 gedacht werden kann, so finden zwischen 0 und G unendlichviele      
  22 Grade (als Einheit der Setzung) statt, folglich sind alle Erscheinungen      
  23 continuirliche Größen, auch dem Grade nach. etc.      
           
  24 So denke ich mir diese dem Anschein nach leichte, der Wahrheit      
  25 nach aber schwere Probleme der Transscendentalphilosophie. Faßt man      
  26 sie aber richtig so geben sie den Schlüssel zu allem Folgenden.      
  27 Ihnen will ich durch dies alles nichts neues sagen, sondern nur darlegen,      
  28 wie ich Sie und mich selbst verstehe. Sie mögen zugleich hieraus      
  29 urtheilen, ob ich wohl im Stande bin, die Sache der Kritik auf mich zu      
  30 nehmen. (das heißt hier nichts anders, als sie wohl verstanden haben).      
  31 * * *      
           
  32 Aber woher nun das Mannigfaltige der Empfindung, was in ihr      
  33 bloß empirisch ist? Die Apperception gibt nichts als den Grad,      
  34 d.i. die Einheit in der Synthesis der Wahrnehmung, welche also auf      
  35 der Spontaneität beruht und Bestimmung des Materialen (der Sinnlichkeit)      
  36 gemäß einer Regel der Apperception ist. Woher nun das      
  37 Materiale? aus der Sinnlichkeit. Aber woher hat es die Sinnlichkeit?      
           
     

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