Kant: AA XII, Briefwechsel 1796 , Seite 090 |
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Text (Kant):
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01 | keine solche Widersprüche enthalten könne. Da mit diesem Satze, wie | ||||||
02 | meine, der moral: Beweis steht oder fällt: So habe ich mir den Gang, | ||||||
03 | den die kritische Philosophie in Ansehung der beyden Hauptwahrheiten | ||||||
04 | der Religion, nimmt, auf folgende Weise dargestellt. | ||||||
05 | Der Mensch kann nicht ein Wesen seyn, welches unauflösliche | ||||||
06 | Widersprüche enthielte. | ||||||
07 | Ein solches würde er aber seyn, wenn keine Unsterblichkeit wäre. | ||||||
08 | Also ist eine Unsterblichkeit. | ||||||
09 | Sie kann aber ohne Gott nicht seyn. | ||||||
10 | Also ist ein Gott. | ||||||
11 | Der erste Satz wird nun allemal ganz isolirt, ohne einige Bestätigung, | ||||||
12 | wodurch er wenigstens glaublich würde, aufgestellt. Und doch | ||||||
13 | meine ich fragen zu müßen, was uns berechtige, ihn gleichsam als | ||||||
14 | Axiom, anzunehmen, da, wenn kein Gott ist, das Gegentheil deßelben | ||||||
15 | ganz wohl möglich ist? Die Antwort auf diese Frage finde ich nirgends. | ||||||
16 | Ich halte deswegen die Ethicotheologie für unbefriedigend. | ||||||
17 | Welche Freude würde es mir machen, wenn Ew: Wohlgebohr: | ||||||
18 | die Güte hätten, mich vom Gegentheil zu überzeugen, oder mein ferneres | ||||||
19 | Nachdenken wenigstens durch einige Winke, zu leiten. | ||||||
20 | Von einem Gegenstande, mit welchem man sich so lange, so anhaltend | ||||||
21 | beschäftigt hat, als ich mit diesem, spricht man gern. Aber | ||||||
22 | ich überwinde die Versuchung, Sie noch mit manchen Herzenseröffnungen | ||||||
23 | zu unterhalten, und versichere nur noch, daß ich mit der innigsten | ||||||
24 | Verehrung verharre | ||||||
25 | Ew: Wohlgebohr: | ||||||
26 | ganz ergebenster Diener. | ||||||
27 | Oels in Schlesien. | Ephraim Gotthold Dominici, | |||||
28 | d: 28 Julii | Herzogl: Braunschweig=Oelsnischer | |||||
29 | 1796. | Hof= und Stadt=Prediger. | |||||
712. | |||||||
31 | Von Friedrich August Hahnrieder. | ||||||
32 | 28. April 1796 | ||||||
32 | Achtungswürdiger Mann! | ||||||
33 | HErr Kandidat Albrecht, der auf der Rükreise nach Rusland | ||||||
34 | begriffen ist, hat mich mit Seinem Besuch beehrt, und zugleich die | ||||||
35 | Gefälligkeit gehabt, mir zu versprechen, diesen Brief Ihnen einzuhändigen, | ||||||
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