Kant: AA XI, Briefwechsel 1794 , Seite 505 |
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| 01 | eilig bin, denn ohne Frau will mir niemand, selbst HErr Motherby | ||||||
| 02 | nicht seine Kinder geben und diese Erwerbsquelle möchte ich nicht gerne | ||||||
| 03 | unbenutzt laßen, da wenige Pensionnaires mir mehr als mein ganzer | ||||||
| 04 | Posten einbringen würden. Ueberdies ist Marienburg der Ort, wo | ||||||
| 05 | eine Frau die Ausgaben nicht vermehrt, sondern vermindert, weil ein | ||||||
| 06 | unverheuratheter Mann, nicht wie in andern großen Städten beim | ||||||
| 07 | Traiteur eßen kann, sondern sich seine eigne Hauswirthschaft einrichten | ||||||
| 08 | muß, wo er denn bey aller übrigen geschmacklosen Lebensart von einer | ||||||
| 09 | Haushälterin, die auch schwer zu haben ist, sehr betrogen wird. Nach | ||||||
| 10 | allen diesen Umständen glaube ich, daß meine Wahl und mein ganzes | ||||||
| 11 | Unternehmen nicht Ihr Mißfallen haben wird, besonders da das | ||||||
| 12 | Temperament und die Sinnesart dieses Mädchens der Sinnesart ihres | ||||||
| 13 | Vaters ganz entgegengesetzt ist. Ich für mein Theil glaube in dieser | ||||||
| 14 | Verbindung recht glücklich zu leben. Freilich würde das Glück meines | ||||||
| 15 | Lebens unendlich erhöht werden, wenn ich es in Koenigsberg unter | ||||||
| 16 | meinen Freunden, in dem so schätzbaren Umgange mit Ihnen theuerster | ||||||
| 17 | Herr Professor, zubringen könnte; auch würde ich zu einer Pensions | ||||||
| 18 | Anstalt, in Koenigsberg weit beßere Gelegenheit finden. Eine Stelle, | ||||||
| 19 | wie die durch den Caplan Mathoes erledigte ist, würde mich auch dieser | ||||||
| 20 | Mühe überheben und ich könnte bei wenigerer Arbeit meinen Wißenschaften | ||||||
| 21 | nachhängen, wozu mir in Marienburg alle Zeit gebricht, da | ||||||
| 22 | ich, außer allen anderweitigen Arbeiten, täglich 6 Stunden zu unterrichten | ||||||
| 23 | habe. Ich bin zwar jetzt noch jung und thätig, aber sehr lange | ||||||
| 24 | kann man eine solche Anstrengung der Kräfte nicht aushalten. Sollten | ||||||
| 25 | Sie es daher, wie ich nicht zweifele, für mein Glück zuträglicher | ||||||
| 26 | halten, daß ich die Königsbergsche Caplans Stelle bekleidete, so bitte | ||||||
| 27 | ich Sie inständigst, sich meinetwegen bey HE. Geh. Rath v. Hippel, | ||||||
| 28 | bey dem Sie Alles vermögen, zu verwenden, welches denn auch für | ||||||
| 29 | mich die erwünschtesten Folgen haben wird. - Herr Buschdorf der | ||||||
| 30 | ehegestern durch Marienburg gieng und mich besuchte, läßt sich Herrn | ||||||
| 31 | Professor sehr empfehlen. Er hatte sich mit seinem Principal entzweit | ||||||
| 32 | und ihn plötzlich verlaßen. Er schien in einer bedrängten Lage zu | ||||||
| 33 | seyn und in Marienburg schon auf andere Gedanken zu kommen. Er | ||||||
| 34 | rang zwischen Noth und Stolz. Die Noth hätte ihn bald zur Rückkehr | ||||||
| 35 | bewegt, aber der Stolz siegte und er reiste weiter und zwar nach | ||||||
| 36 | Polen, wo er wahrscheinlich sein Heil versuchen und dann nach Sachsen | ||||||
| 37 | gehen will. Nun theuerster Herr Professor empfehle ich mich Ihrem | ||||||
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