Kant: AA XI, Briefwechsel 1794 , Seite 492 |
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Text (Kant):
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| 01 | unterstützen, bedenken Sie auch: daß ein solcher in vieler Leser Hände | ||||||
| 02 | kommender Aufsatz oft mehr Wirkung thut, als ein eigenes besonders | ||||||
| 03 | gedrucktes Buch. | ||||||
| 04 | Besonders aber, bitte ich, lassen Sie nie einiges Mißtrauen oder | ||||||
| 05 | beunruhigende Vermuthung über mich bei Sich Statt finden; sondern | ||||||
| 06 | erkennen mich immer dafür, was ich wahrhaft u. aufrichtig bin, | ||||||
| 07 | Ihr | ||||||
| 08 | herzlicher Verehrer und | ||||||
| 09 | treuer Freund und Diener | ||||||
| 10 | Berlin, | Biester. | |||||
| 11 | 4 März 1794. | ||||||
| 12 | [Beilage.] | ||||||
| 13 | Garve an Biester. | ||||||
| 14 | Hochzuverehrender Herr und Freund | ||||||
| 15 | Das fortgesetzte Geschenk, welches Sie mir mit Ihrer Monatsschrift machen, | ||||||
| 16 | ist für mich von großem Werthe, sowohl wegen seines innern Gehalts, als wegen | ||||||
| 17 | der Gesinnungen des Gebers die mir dadurch versichert werden. Die jüngst erhaltene | ||||||
| 18 | Sendung ist mir dadurch noch interessanter geworden, daß sie mir das letzte Stück | ||||||
| 19 | der Monatsschrift früher in die Hände gebracht hat, als es in unsern Buchläden | ||||||
| 20 | wäre zu bekommen gewesen. Ich werde mich immer freuen, wenn ich durch einen | ||||||
| 21 | Aufsatz von mir, einem Manne wie Kant die Veranlassung gegeben habe, seine | ||||||
| 22 | Gedanken über einen wichtigen Gegenstand vollständiger zu entwickeln. Und so | ||||||
| 23 | sehr ich immer meine Freiheit des Denkens auch gegen den größten Mann, | ||||||
| 24 | wenigstens innerlich werde aufrecht zu erhalten suchen: mit eben so viel Achtsamkeit | ||||||
| 25 | u. Vergnügen werde ich auch immer die Gegengründe gegen meine Meinung | ||||||
| 26 | oder gegen meine Vorstellungsart anhören: am meisten von einem Manne, der | ||||||
| 27 | auch in seinen Nebenideen so lehrreich ist wie Kant, u. dessen moralische Tendenz | ||||||
| 28 | mit meinen Gesinnungen so vollkommen übereinstimmt. Was mir in diesem Aufsatz | ||||||
| 29 | das auffallendste war, ist die Behauptung im zweyten Theile, daß auch ein | ||||||
| 30 | ganzes Volk seine Rechte gegen das StaatsOberhaupt, welches dieselbe verletzt hat, | ||||||
| 31 | nie mit Gewalt vertheidigen dürfe. Ueber diese Aeußerung, so wie über den ganzen | ||||||
| 32 | Aufsatz von Kant ließe sich ein Buch schreiben. Und ich fange also nicht erst an, | ||||||
| 33 | ihnen von meinen Ideen, die ich doch nicht entwickeln kann, Bruchstücke mitzutheilen. | ||||||
| 34 | Empfangen Sie indeß meinen wiederhohlten Dank für das Vergnügen, | ||||||
| 35 | welches Sie mir dießmahl, und schon so oft durch Ihre MonatsSchrift gemacht | ||||||
| 36 | haben: u. seyn Sie versichert, daß ich als Ihr Leser, u. als Ihr Freund, Ihnen, | ||||||
| 37 | zu der glücklichen Fortsetzung dieses Unternehmens, u. zu allen Ihren litterarischen | ||||||
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