Kant: AA XI, Briefwechsel 1793 , Seite 477 |
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Text (Kant):
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| 01 | geschehen würde. Alle Aufträge Ihrerseits werde, so viel in meinem | ||||||
| 02 | Vermögen ist, gleichmäßig auszurichten bereit seyn, wobey ich jederzeit | ||||||
| 03 | bin | ||||||
| 04 | Ihr | ||||||
| 05 | Königsberg | ergebenster Freund und Diener | |||||
| 06 | den 13 Dec: | J Kant | |||||
| 07 | 1793 | ||||||
| 610. | |||||||
| 09 | Von Heinrich Amadeus Wilhelm Klapp. | ||||||
| 10 | 20. Dec. 1793. | ||||||
| 11 | Würdiger Mann. | ||||||
| 12 | Es ist beynah zwey Iahre, daß ich durch Ihre Art zu philosophiren | ||||||
| 13 | (die ich nun als die einzig richtige anerkennen muß) veranlaßt, | ||||||
| 14 | Schüler und Zögling meiner eigenen Vernunft geworden bin. | ||||||
| 15 | So erhaben mir aber auch von der einen Seite das Bewustseyn | ||||||
| 16 | meiner Menschheit in meiner Vorstellungsfähigkeit erscheint, so muß | ||||||
| 17 | eben dies auf der andern Seite mir oft einen Spiegel vorhalten, | ||||||
| 18 | worinnen ich mich lieber nicht beschauen mögte, weil mich meine | ||||||
| 19 | wirckliche Gestalt zu sehr demüthigt. Ich muß es bekennen, daß es | ||||||
| 20 | oft Stunden gibt, wo ich wünsche, den Weg zu meinem Selbstbewustseyn | ||||||
| 21 | nicht angetreten zu haben (die Revolution meiner Denckart war | ||||||
| 22 | schnell und es ging mir wie dem Blinden der nach der glücklichen | ||||||
| 23 | Operation sich nicht sogleich in der Gesichtswelt zurecht finden konnte), | ||||||
| 24 | aber von der andern Seit erhebt mich wieder das Bewustseyn meiner | ||||||
| 25 | Freiheit und das aus Achtung gegen meine intelligibele Natur entsprungene | ||||||
| 26 | point d'honneur gibt mir Muth und Standhaftigkeit. Ich | ||||||
| 27 | ehre die Wege der Vorsehung und ich bin izt wenigstens so weit, da | ||||||
| 28 | mich Hinderniße Vorurtheil und Irrthum anderer nicht zum lächerlichen | ||||||
| 29 | Menschenhaß verleiten. Der Weg meiner Denckart, den ich schon | ||||||
| 30 | als Knabe eingeschlagen hatte, war nicht der gewöhnliche, das fühlte | ||||||
| 31 | ich schon, ehe ich Ihre Wercke studirte, und izt sehe ich, daß es doch | ||||||
| 32 | Vorbereitung war, um Ihre Idee (die ich nun izt mit Recht die | ||||||
| 33 | meinige nennen kann) faßen zu können. Schon in meinen KnabenIahren | ||||||
| 34 | wälzte ich die dialektischen Träume der Metaphisik in meinem | ||||||
| 35 | Kopfe herum, ohne zu wißen oder nur einmahl zu ahnden, daß es | ||||||
| 36 | schon Leute gegeben habe, die durch solche Dinge, die man nur bloß | ||||||
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