Kant: AA XI, Briefwechsel 1793 , Seite 426 |
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01 | lebe, da ich daran Antheil nehmen kann. Dieses Geständniß einer | ||||||
02 | Seele, die so spricht wie sie denkt, erlauben Sie mir, Ihnen zu machen, | ||||||
03 | und mich dadurch gewissermassen von einer Last zu entledigen: Es | ||||||
04 | gehört nur ein unermüdetes Nachdenken dazu, um Ihren Sinn richtig | ||||||
05 | zu fassen und sich sodann auch davon zu überzeugen, wozu der Muth | ||||||
06 | keinem Menschen entfallen darf, und zwar wegen der Verwandschaft | ||||||
07 | dieser Wissenschaft mit der Mathematick, in dem Puncte, daß die Sache | ||||||
08 | doch nicht ausser uns liegt. Die Beschäftigung mit der Critick der | ||||||
09 | Urtheilskraft, giebt mir einen abermaligen Beweis davon. Ehe ich | ||||||
10 | die Feder ansetzte, habe ich sie mehrmals durchgelesen und durchgedacht. | ||||||
11 | Die vielen Schwierigkeiten die ich anfänglich antraf, verschwinden mir | ||||||
12 | zusehens. Ich nehme mir die Freyheit Ihnen mein Manuscript, | ||||||
13 | welches den Auszug der Einleitung und der Exposition eines reinen | ||||||
14 | Geschmacksurtheils enthält, zu überschicken, und bitte Sie, die Freundschaft | ||||||
15 | für mich zu haben, die Einleitung anzusehen und die Stellen | ||||||
16 | zu bemerken, wo ich Ihren Sinn dürfte verfehlt, oder wenigstens nicht | ||||||
17 | deutlich dargestellt haben. Sie erlauben mir aber wohl, Sie an das | ||||||
18 | Versprechen zu erinnern, das Sie mir in Ihrem letzten Briefe thaten, | ||||||
19 | mir zur Benutzung ein Paar Manuscripte zuzuschicken, eins, welches | ||||||
20 | die Critick der Urtheilskraft und ein anderes welches die Metaphysick | ||||||
21 | der Natur angeht. Sie sind so gütig gewesen, mir ein Exemplar der | ||||||
22 | neuen Auflage Ihrer Critick der Urtheilskraft, durch Herrn La garde | ||||||
23 | zuschicken zu lassen, wofür ich Ihnen ergebenst danke, und mit innigster | ||||||
24 | Hochachtung bin | ||||||
25 | der Ihrige | ||||||
26 | Beck. | ||||||
27 | N. S. Die im vorigen Iahr Ihnen zugeschickte Abschrift meines | ||||||
28 | Manuscripts, war mit der reitenden Post nach Königsberg | ||||||
29 | gegangen und dieses konnte nach einem Mißbrauch Ihrer | ||||||
30 | Güte aussehen. Den Fehler den ich dabei begangen, war | ||||||
31 | aber eigentlich der, daß ich mich nicht genau auf dem hiesigen | ||||||
32 | Postamte erkundigte, wenn eigentlich von Berlin aus, die | ||||||
33 | fahrende Post abgeht, da von Halle aus, keine andere als die | ||||||
34 | fahrende abgeht. In dieser Rücksicht bitte ich, über die begangene | ||||||
35 | Unart nicht zu schelten. Ein Mensch, dem ich das | ||||||
36 | beykommende Manuscript zum Abschreiben gegeben, hat mich | ||||||
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