Kant: AA XI, Briefwechsel 1792 , Seite 382 |
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01 | Gebäude der Philosophie oder in Ihr System (welches mir Synonimen | ||||||
02 | sind) richtig beurtheilte, darüber wünschte ich freylich die Gewißheit, | ||||||
03 | die mir Ihr Auspruch gäbe. Viele sagen zwar das die Wahrheit | ||||||
04 | durch kein Ansehen gewinnen könne, aber so gewiß dieß von mathematischer | ||||||
05 | seyn mag, so gewiß ist diese Behauptung bey philosophischen | ||||||
06 | Wahrheiten Vernunftschwärmerey, denn diese können nicht durch eine | ||||||
07 | Construction, sondern nur durch die Harmonie mit allen Trieben der | ||||||
08 | Menschen bewiesen werden, und diese sind kaum in einen Menschen in | ||||||
09 | wahren Gleichgewicht vorhanden, hier gilt also das Fürwahrhalten | ||||||
10 | eines Menschen der an dieser Harmonie seiner Triebe arbeitete und sie | ||||||
11 | so viel als möglich in Einklang mit seiner Moralität brachte, für einen | ||||||
12 | wichtigen Theile eines Beweißes dafür. Wenn man die Wahrheit in | ||||||
13 | Demonstrationen aus Sätzen a priori oder die man dafür hält allein | ||||||
14 | sucht, so glaube ich und getraue es mir fast selbst, daß man gegen | ||||||
15 | alles disputiren kan, und daß man gegen die sichersten Principien | ||||||
16 | Sophismen vorbringen kan, die die speculirende Vernunft, als unwiderleglich | ||||||
17 | annehmen würde, wenn sie nicht durch das Interresse der totalen | ||||||
18 | Menschheit unaufhörlich aufgefordert würde, die Widerlegung zu suchen. | ||||||
19 | Dieß ganze Umfassen des Interesse des totalen Menschen, so weit ich | ||||||
20 | es fühlen kan machte mir Ihr System, zur Philosophie, für welche | ||||||
21 | ich keine Besorgniß habe daß sie je sollte in ihrem Wesentlichen widerlegt | ||||||
22 | werden, weil das moralische Gesez, der Vernunft, die Zerstörung | ||||||
23 | eines jeden Zweifels darüber, gebietet. Ich erwarte auch hierüber | ||||||
24 | Ihre Meinung, wofern Sie selbige nicht schon für das Publikum | ||||||
25 | bestimmt haben. Die Menschheit hat ein unendlich größers Recht auf | ||||||
26 | Ihre Bemühungen als ich, aber Sie zu achten und zu lieben ist mein | ||||||
27 | Recht gleich groß. | ||||||
28 | Ihr. | ||||||
29 | Ioh. Benj. Erhard. | ||||||
543. | |||||||
31 | Von Carl Leonhard Reinhold. | ||||||
32 | 29. Oct. 1792. | ||||||
33 | Erlauben Sie mein höchstverehrter Lehrer und Freund, daß Ich | ||||||
34 | durch den gegenwärtigen zweyten Band meiner Briefe über Ihre | ||||||
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