Kant: AA XI, Briefwechsel 1792 , Seite 366 |
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528. | |||||||
02 | Von Rudolph Gotthold Rath. | ||||||
03 | 8. Sept. 1792. | ||||||
04 | Wohlgebohrner, | ||||||
05 | hochgelehrter Herr, | ||||||
06 | hochgeehrtester HErr Professor, | ||||||
07 | Ich wage es Ew. Wohlgeb. einen Entschluß von mir mitzutheilen, | ||||||
08 | dessen Ausführung einer meiner innigsten Wünsche ist; den Entschluß, | ||||||
09 | die Kritik der reinen Vernunft in das lateinische zu übersetzen. Ich | ||||||
10 | weiß, daß diese Unternehmung nicht leicht ist, und was sie erfordert, | ||||||
11 | namlich Einsicht in die Kritik, und Gewandheit in der Lateinischen | ||||||
12 | Sprache. Was das erste betrift, so habe ich mich seit mehrern Iahren | ||||||
13 | mit dem Studium dieses Werks auf das eifrigste beschäftigt, und nun | ||||||
14 | schmeichle ich mir endlich eingeweihet zu seyn. Was den zweyten | ||||||
15 | Punct anlangt, so bin ich seit 12 Iahren Schulmann, und muß täglich | ||||||
16 | die Lateinische Sprache Kraft meines Amts treiben. Allein bey | ||||||
17 | dem allen würde die Arbeit doch nur langsam fortrücken, und schwerlich | ||||||
18 | unter 2 Iahren beendiget werden. Merkantilisch kann also meine | ||||||
19 | Absicht nicht seyn. Was mich treibt ist die Begierde die übrigen kultivirten | ||||||
20 | Nationen mit der Kritik bekannt zu machen, und ich muß es | ||||||
21 | gestehen, die Begierde nach dem Ruhme, bey denen Völkern, wohin | ||||||
22 | Sie wandern würden, Ihr Dolmetscher zu seyn. Doch überlass, ich es | ||||||
23 | Ihrer Einsicht gänzlich und Ihrer Entscheidung, ob ich diese Arbeit | ||||||
24 | anfangen soll oder nicht. Weil diese Entscheidung vielleicht mit von | ||||||
25 | der Sprache der künftigen Uebersetzung abhangen möchte, so schicke ich | ||||||
26 | hier eine Probe davon. Freylich würde ich bey diesem Werke die Eleganz | ||||||
27 | nicht selten der Deutlichkeit aufopfern müssen, doch dürfte die | ||||||
28 | Sprache nie barbarisch ausfallen. Im Fall nun der Herr Professor | ||||||
29 | mein Unternehmen billigen sollten, so würde es keine Schwierigkeit | ||||||
30 | haben, einen Verleger zu finden, und dann würd ich mich über diese | ||||||
31 | Arbeit herwerfen. Zulezt empfehl' ich mich der Gewogenheit Ew. | ||||||
32 | Wohlgeb. und bin mit der tiefsten Hochachtung | ||||||
33 | Ew. Wohlgeb. | ||||||
34 | Halle | gehorsamster Diener | |||||
35 | den 8 Sept. | M. R. G. Rath. | |||||
36 | 1792. | ||||||
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