Kant: AA XI, Briefwechsel 1792 , Seite 353 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | dieses Geldes, mit meinem herzlichsten und innigsten Dank, den ich | ||||||
02 | Ihnen, nicht blos für die so lange bewiesene gütige Nachsicht, sondern | ||||||
03 | noch für mehr als dies, für das widme, was Sie mir vor 10 Iahren | ||||||
04 | (in dieser für mich so merkwürdigen und traurigen Periode meines | ||||||
05 | Lebens, deren Andenken mit unauslöschlichen Zügen in mein Innerstes | ||||||
06 | gegraben ist) waren. Nochmahls meinen innigsten Dank Ihnen dafür, | ||||||
07 | edler Mann! meinen innigsten Dank, von dem das Herz eines Mannes | ||||||
08 | erfüllt ist, das seine Verbindlichkeit und Ihr Verdienst ganz fühlt. Noch | ||||||
09 | bleibt mir aber etwas zu erfüllen übrig, das Sie vermuthlich errathen | ||||||
10 | werden. Es betrift nehmlich jenen großmütigen Mann, deßen Nahmen | ||||||
11 | ich noch nicht kenne. Allein noch zu sehr unter dem harten Gesez | ||||||
12 | zwingender äußerer Umstände gehalten - die ich zwar seit 9 Iahren, | ||||||
13 | durch anhaltendes Ankämpfen und Anstrengung aller meiner Kräfte, | ||||||
14 | gegen die vorigen Zeiten gerechnet, um ein großes erträglicher gemacht | ||||||
15 | habe, aber doch noch nicht so zu verbeßern im Stande gewesen bin, | ||||||
16 | (wozu ich noch einige Iahre brauche, und mir daher nur noch so lange | ||||||
17 | das Leben wünsche, um auch diese Pflichten noch erfüllen zu können), | ||||||
18 | um alles in's Reine bringen zu können - ist es mir bis gegenwärtig | ||||||
19 | nicht möglich, mich von dieser mir auf dem Herzen liegenden Verbinlichkeit | ||||||
20 | zu befrein. Allein ich ersuche Ew. Wohlgeb. (auf Lebens und | ||||||
21 | Sterbensfall), mir irgend eine Adreße zu übermachen, wohin oder an | ||||||
22 | wen, so bald ich dazu vermögend bin, ich die bewußte Summe übermachen | ||||||
23 | kann. - Ich habe ein hartes Tagewerk gehabt. Doch fühle | ||||||
24 | ich in dem Bewußtseyn: mit Mühe und Arbeit, im Schweiß meines | ||||||
25 | Angesichts, mich durch gedrungen zu haben, zugleich Beruhigung und | ||||||
26 | Belohnung. | ||||||
27 | Izt muß ich Ew Wohlgeboren doch noch einige Nachrichten von mir | ||||||
28 | selbst mittheilen. Was meine individuelle Lage, als Mensch und akademischer | ||||||
29 | Lehrer hier an diesem Ort betrift, so lebe ich, gewiße Rüksichten | ||||||
30 | ausgenommen, zufrieden, mit meinen Kollegen in Ruhe und | ||||||
31 | Einigkeit, so wie mit allen übrigen Menschen. Bei Führung meines | ||||||
32 | Lehramts, suche ich, so viel ich kann, und so viel es der Geist der hiesigen | ||||||
33 | Denkart zu ertragen im Stande ist, Nuzzen zu stiften. Freilig | ||||||
34 | ist in diesen Gegenden, die sich durch so manche Eigenheiten vor andern | ||||||
35 | auszeichnen, Philosophie eine ziemlich fremde Wißenschaft; Herrn Jacobi | ||||||
36 | in Düsseldorf ausgenommen, sonst weiß ich keinen, mit dem ich mich | ||||||
37 | mündlich über dergleichen Gegenstände unterhalten könnte. Wäre meine | ||||||
[ Seite 352 ] [ Seite 354 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |