Kant: AA XI, Briefwechsel 1792 , Seite 329 |
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| 01 | Was nun mich insbesondere betrift, so ist meine strenge Regel: | ||||||
| 02 | mich genau in den Schranken des Gesetzes zu halten. Auswärts | ||||||
| 03 | drucken zu lassen, ist nie hier verboten gewesen. Dennoch aber würde | ||||||
| 04 | ich es für unrecht halten, ein Blatt, welches die hiesige Kgl. Censur | ||||||
| 05 | gestrichen hätte, gleichsam zum Trotz derselben, auswärts drucken zu | ||||||
| 06 | lassen (obgleich auch dies nicht verboten ist). Dies aber würde ich | ||||||
| 07 | für eine unanständige u. meiner unwürdige Neckerei halten, - oder | ||||||
| 08 | es müßte ein ganz sonderbarer Umstand mich dazu nöthigen. Dies | ||||||
| 09 | ist aber gar nicht mein Fall; ich habe nie mit der hiesigen Censur | ||||||
| 10 | .Händel gehabt; sondern bloß: ich habe bis 1791 die Berl. Monatsschr. | ||||||
| 11 | in Berlin bei Spener drucken lassen, u. lasse sie seit 1792 bei Mauke | ||||||
| 12 | in Iena drucken. Oder vielmehr, mein Verleger thut dies. Aus | ||||||
| 13 | welchen Gründen wir das thun? ist eine andere Frage; welche wahrscheinlich | ||||||
| 14 | Niemand, bei einer unverbotenen Handlung, aufzuwerfen das | ||||||
| 15 | Recht hat. | ||||||
| 16 | So ist die Sache, Theurester Mann; und ich glaube nicht, da | ||||||
| 17 | Sie einigen Grund haben, mit dieser Einrichtung unzufrieden zu sein, | ||||||
| 18 | oder sie gar für gesetzwidrig u. unrechtmäßig zu erklären. | ||||||
| 19 | Um indeß jeder Forderung eines Mannes wie Sie, zu genügen; | ||||||
| 20 | habe ich Ihren vortreflichen Aufsatz - welcher nicht in den März | ||||||
| 21 | kommen konnte, aber den April zieren wird - sogleich nach Empfang | ||||||
| 22 | Ihres letzten Briefes bei der hiesigen Censur eingereicht. Weil er | ||||||
| 23 | moralischen Inhalts ist, so fällt er dem HE Geh. u. Ob. Consist. Rath | ||||||
| 24 | Hillmer anheim. Dieser schickte ihn mir auch, Tages darauf, mit | ||||||
| 25 | seinem Imprimatur zu; u. schrieb mir dabei folgenden weisen Bescheid: | ||||||
| 26 | er habe den Druck vergönnt, "weil er, nach sorgfältiger Durchlesung, | ||||||
| 27 | diese Schrift, wie die übrigen Kantischen, nur nachdenkenden, | ||||||
| 28 | "Untersuchungs= und Unterscheidungsfähigen Gelehrten, nicht aber allen | ||||||
| 29 | "Lesern überhaupt, bestimmt u. genießbar finde." | ||||||
| 30 | Ich würde mich schämen, gegen einen Mann wie Sie, die geringste | ||||||
| 31 | Unredlichkeit zu begehen. Ob Sie also gleich Selbst glaubten, Ihr | ||||||
| 32 | Aufsatz sei schon nach Iena geschickt, u. ich Sie bei diesem Glauben | ||||||
| 33 | lassen konnte; so habe ich dennoch, da er durch einen Zufall noch hier | ||||||
| 34 | lag, Ihrem Begehren genüget; am 3ten ist er nun nach Iena abgegangen. | ||||||
| 35 | - Hier haben Sie den ganzen Verlauf der Sache. Sehr angesehene | ||||||
| 36 | u. gelehrte Männer haben mir seitdem, wie vorher, Beiträge | ||||||
| 37 | mitgetheilt. Ich hoffe, Sie werden hierin nicht anders denken. Auch | ||||||
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