Kant: AA XI, Briefwechsel 1792 , Seite 323

     
           
 

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    505.      
  02 Von Iohann Heinrich Kant.      
           
  03 8. Febr. 1792.      
           
  04 Lieber Bruder!      
  05 Dein Brief vom 26 Januar a. c: ward mir von Reimers den      
  06 3ten Febr: eingehändigt; Es war mir ein festlicher Tag, an dem ich      
  07 einmahl wieder die Hand meines einzigen Bruders, und den Ausdruck      
  08 seines gegen mich wahrhaftig brüderlich gesinneten Herzens sah und mit      
  09 rechten Freuden Gefühl genos: mein gutes Weib, die dich, obgleich persönlich      
  10 unbekannt, recht innig liebet und ehret, trat ganz in meine      
  11 Empfindungen ein; die sich auch meinen guten, dich aufrichtig liebenden      
  12 und ehrenden Kindern, recht lebhaft mittheilte.      
           
  13 Deine liebreiche Versicherung, du habest auf den künftigen Sterbefall,      
  14 - ferne möge er noch seyn - brüderlich an mich gedacht, bewegte      
  15 uns alle bis zu Thränen. Dank - herzlicher Dank Dir mein Bruder,      
  16 für diese Erklärung deines Wohlwollens; meinem treuen Weibe,      
  17 und meinen wahrhaftig gut gearteten Kindern, möge das      
  18 was du uns von deinem Vermögen so gütig zugedacht hast,      
  19 dereinst zu Theil werden, wenn ich einmahl der wahrscheinlichen      
  20 Regel nach sie hinter mich gelassen habe. Glaube mir - wenn ich      
  21 dir noch ein recht langes Leben wünsche; - so ist dieser Wunsch      
  22 wahr - er liegt lebendig in meiner Seelen.      
           
  23 Ich genieße freudenvoll den Ruhm mit, den du dir als Weltweiser      
  24 erster Größe, als Schöpfer eines neuen philosophischen Lehrgebändes      
  25 erwirbst; Gott lasse dich doch, die Vollendung deines Wercks, und      
  26 seine Ausbreitung auch außer Deutschland, über den Rhein, und über      
  27 den Pas de Calais erleben. Im 68ten Iahre scheint man freilich schon      
  28 nahe am Ziel zu stehen - aber so oft ich ein Gelerthen=Lexicon      
  29 durchblättere, finde ich auf allen Seiten, so viele Schrifsteller, die über      
  30 80 hinausgega[ng]en sind, daß ichs als bekannt annehme, ein hohes      
  31 Alter sey caeteris paribus , das glückliche Loos, der Denker, - und      
  32 Gelerthen, und dabey hoffe dieses Loos werde auch dir mein Bruder      
  33 zu Theil werden: daß du schwächlich, und valetudinair bist, irrt mich      
  34 in meiner Hypothese nicht - Fontenelle war es von Kindheit an, und      
  35 erreichte doch beynahe 90.      
           
  36 Ich jezt in meinem 57 sten Lebensjahre, bey einer Gesundheit die      
           
     

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