Kant: AA XI, Briefwechsel 1791 , Seite 306 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | diese Liebe und Achtung an frohen Genuße für mich und an Einfluß | ||||||
| 02 | auf mein Leben gewonnen, seitdem mir das Glück zu Theil wurde, | ||||||
| 03 | Sie auch meinen Freund nennen zu dürfen. | ||||||
| 04 | Meine Reise von Königsberg hieher, wo ich bloß meine Freunde | ||||||
| 05 | Schiller und Reinhold in dessen Hause ich nun wohne besuche und | ||||||
| 06 | dann meine Reise meinen Plan gemäß weiter fortsetze, machte ich ohne | ||||||
| 07 | allen widrigen Zufall und mit den seeligsten Rückerinnerungen. In | ||||||
| 08 | Berlin fand ich bey Prof. Herz eine sehr gute Aufnahme und machte | ||||||
| 09 | durch ihn viele angenehme Bekanntschaften. Er selbst hat zwar keine | ||||||
| 10 | Zeit mehr sich eigentlich mit Philosophie zu beschäftigen, aber er hat | ||||||
| 11 | dafür sehr gute Köpfe um sich gesammelt. Ein gewisser BenDavid | ||||||
| 12 | verspricht mir darunter sehr viel für die Zukunft. Maimon lernte ich | ||||||
| 13 | nicht persönlich kennen ich suchte ihn ein paarmal auf und fand ihn | ||||||
| 14 | nicht, aber da ich nun sein philosophisches Wörterbuch sah, so bedaure | ||||||
| 15 | ich es nicht im geringsten, denn dieses veräthe was ich am wenigsten | ||||||
| 16 | leiden mag, schreklichen Hang zum Tiefsinn - ohne allen tiefen Sinn. | ||||||
| 17 | Eine meiner werthesten Bekanntschaften machte ich am Kammergerichtsrath | ||||||
| 18 | Klein. Dieß ist einer von den seltnen Männern deren | ||||||
| 19 | Enthusiasmus ihrer Einsicht untergeordnet ist, ohne erkaltet zu seyn. | ||||||
| 20 | Der vorzüglichste Gegenstand unserer Unterhaltung war das Criminalrecht. | ||||||
| 21 | Ich will die Hauptpunkte in denen wir übereinkamen Ihnen | ||||||
| 22 | zu Ihrer Prüfung, die Sie mir wohl nicht versagen? vorlegen. | ||||||
| 23 | 1) Die Uebertrettung der Gesetzen nicht der Schaden der Gesellschaft | ||||||
| 24 | bestimmt die Größe des Verbrechens. | ||||||
| 25 | 2) Eigentlich Verbrechen ( Crimina ) können, da das moralische Gesetz | ||||||
| 26 | nicht bedingt, unter Drohung eines gewißen Verlustes gebietet, | ||||||
| 27 | auch nicht bedingt verbothen seyn, so nehmlich, daß durch | ||||||
| 28 | die Erduldung der Straffe allein, ohne Busse der Verbrecher | ||||||
| 29 | wieder eben so moralisch als vor den Verbrechen anzusehen sey. | ||||||
| 30 | 3) Da das Gesetz absolut gebietet, so kan auch die Strafe nicht als | ||||||
| 31 | ein Mittel zu einen andern Zweck, sondern einzig zur Heiligung | ||||||
| 32 | (nicht zur Erfüllung auf eine andere Art) des Gesetzes gebraucht | ||||||
| 33 | werden | ||||||
| 34 | 4) Sie ist also etwas verwirktes das ohne alle andere Erwartung | ||||||
| 35 | oder Absicht erduldet werden muß. | ||||||
| 36 | 5) Aber da nicht Genugthuung des Schadens, noch Besserung noch | ||||||
| 37 | Beyspiel die Absicht der Straffe seyn kan, so kan man auch nicht | ||||||
| [ Seite 305 ] [ Seite 307 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||