Kant: AA XI, Briefwechsel 1791 , Seite 250 |
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Text (Kant):
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| 01 | Ihnen gänzlich Unbekanter, unterstehen, Sie mit einem Brief zu belästigen; | ||||||
| 02 | allein ein bloses Missverständnis, das aber nunmehr gehoben, | ||||||
| 03 | würde der Grund gewesen seyn, Ihnen, wenn Sie mich anders einer | ||||||
| 04 | Antwort gewürdiget, eine Lücke in Ihren weit wichtigern Geschäften | ||||||
| 05 | zu verursachen. Durch beigelegte Piece, mögte es den Anschein gewinnen, | ||||||
| 06 | als dürfte ich mich ietzo etwas zuversichtlicher unterstehen, | ||||||
| 07 | Sie zu belästigen: zum wenigsten sehen Sie doch hieraus, wie sehr es | ||||||
| 08 | mir um die gute Sache ein Ernst ist. Ihre allgemein bekante Güte | ||||||
| 09 | lässt mich deswegen auch Verzeihung dafür hoffen, wenn ich mich | ||||||
| 10 | erkühne, Ihnen diese Piece zu überliefern. Sie gehört ganz vor Ihr | ||||||
| 11 | Forum; und auch nur Sie erkenne ich in dieser Sache für den einzig | ||||||
| 12 | kompetenten Richter. Ich habe mich, so viel es der Raum gestatten | ||||||
| 13 | wollte, bemüht, Ihre Grundsätze zu entwickeln; eben so wie ich gesucht | ||||||
| 14 | habe, die hemsterhuisische Definition unter die ihr nöthige Einschränkung | ||||||
| 15 | zu bringen. Ob ich aber meinen Endzweck erreicht? Durch welche | ||||||
| 16 | Mittel? ob ich überhaupt Ihre Grundsätze recht verstanden, und richtig | ||||||
| 17 | angewand habe? Dies ist nunmehr die grose Frage! - | ||||||
| 18 | Wahrheit war von ie her das grose Ziel, wornach ich strebte; | ||||||
| 19 | und sollten Sie wohl unwillig darüber werden, wenn ich sage, dass | ||||||
| 20 | ich es Ihnen vor vielen andern zutraue mich in ihr Heiligthum zu | ||||||
| 21 | führen? ich glaube nicht! zumahl wenn ich noch hinzufüge, dass | ||||||
| 22 | ich bereit bin, ein jedes Urtheil von Ihnen willig anzuhören, es falle | ||||||
| 23 | auch aus, wie es wolle. Denn ein einziger Winck von Ihnen, ist | ||||||
| 24 | mir lieber, als alle öffentliche Rezensionen. | ||||||
| 25 | Ich gestehe es nochmals, mein Ansinnen hat viel Auffallendes, | ||||||
| 26 | ich hoffe aber dasselbe einigermaßen dadurch zu mindern, wenn ich | ||||||
| 27 | Sie versichere, dass niemand mehr Hochachtung gegen Sie heegen | ||||||
| 28 | kann als | ||||||
| 29 | Ewr Wohlgebohr. | ||||||
| 30 | Erfurth den 10ten Febr. | ganz gehorsamster Diener | |||||
| 31 | 1791 | Christian Gotthilf Herrmann. | |||||
| 32 | N. S. | N. S. | |||||
| 33 | Es wird Sie gewis interessiren, wenn ich Ihnen sage, dass unser | ||||||
| 34 | gnädigster HE. Coadjutor eine Abhandlung mit dem Titel "Ueber die | ||||||
| 35 | Grundsätze der Aesthetik" unter die Presse gegeben. Der erlauchte | ||||||
| 36 | Verfasser hatte die Gnade mir dieselbe zum Durchlesen zu geben: und | ||||||
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