Kant: AA XI, Briefwechsel 1790 , Seite 170

     
           
 

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  01 werden könnte. Im Grunde hat man doch der Critik schon sehr viel      
  02 zugestanden. Der Hauptanstoß scheint den Gegnern nur noch zu seyn,      
  03 daß sie keine Erkenntniß von Gott, Unsterblichk[eit] u.s.w. haben sollen.      
  04 Daß ihre Erkenntniß nicht anschaulich seyn könne, geben sie allgemein      
  05 zu. Wenn man ihnen nun beweißt, daß die Prädikate einfach, immateriell      
  06 etc. anschauliche Prädikate sind, so müssen sie diese [aufge]ben,      
  07 weil sie nicht für uns anschaulich sind. Geben sie also zu, daß wir      
  08 blos Verhältnisse des Unbedingten zu uns und der Sinnenwelt angeben      
  09 können; so dünkt mich kann man ohne Bedenken die Vorstellung dieser      
  10 Verhältnisse auch Erkenntnisse nennen, da doch zugestanden wird, da      
  11 wir diese Verhältnisse nicht blos denken (. sie uns einbilden) sondern      
  12 daß sie real sind, daß wir sie also für objektiv halten, der Grund der      
  13 uns hierzu bestimmt mag nun das Objekt oder das Subjekt seyn. In      
  14 den Krit[ischen] Versuchen über den ersten Band des Hume, habe ich einen      
  15 Versuch gemacht diese Begriffe deutlich vorzutragen. Ich wünsche      
  16 sehnlich hierüber belehrt zu werden. Ich bin es nicht allein, der      
  17 hierinne Schwierigkeiten findet. Ihnen würde es etwas leichtes seyn,      
  18 über diese Sprachzweideutigkeit Aufschlüsse zugeben und die Wortbedeutung      
  19 deren Sie sich bedienen mit dem gemeinen Sprachgebrauche      
  20 zu vereinigen. Ich glaube gewiß, daß dieses die Vereinigung sehr      
  21 befördern würde.      
           
  22 Ubrigens glaube ich, kann es Ihnen nicht unangenehm seyn      
  23 Humen im deutschen Gewande zu sehen. Der Grund seines Raisonnements      
  24 kann wie ich glaube blos durch Ihre Critik gehörig verstanden      
  25 werden und wenn ich etwas durch die beigefügten Versuche zur Erleichterung      
  26 der richtigen Beurtheilung beigetragen habe; so fällt der      
  27 schönste Theil des Verdienstes auf Sie zurück. Eben so ist es auch      
  28 mit der Preißschrift, welche Sie ebenfalls durch einen Buchhändler erhalten      
  29 werden. Ich wünsche nichts mehr, als daß Sie urtheilen mögen,      
  30 daß ich mich Ihrer Grundsätze recht bedient habe, und daß ich nicht      
  31 ganz unfähig sey, etwas zur Ausbreitung und Beförderung der wahren      
  32 Philosophie beizutragen. Der Himmel verleihe Ihnen noch recht lange      
  33 Kraft und Stärke, damit Sie der Welt noch lange Ihre Schätze mittheilen      
  34 können. Möchten Sie sich doch entschliessen uns mit einer      
  35 Anthropologie zu besch[enken.]      
           
  36 Ich bin mit der tiefsten Achtung und Ehrfurcht ganz der [Ihrige ]      
  37 [ Iakob.]      
           
           
           
     

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