Kant: AA XI, Briefwechsel 1790 , Seite 165 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | mir bei meinem Aufenthalt in Königsberg einige Winke und Bemerkungen | ||||||
| 02 | für den zweiten Theil geben. - Ihre Schrift gegen Eberhard | ||||||
| 03 | hat mir unendlich viel Vergnügen gemacht; ich habe nicht eher geruhet | ||||||
| 04 | bis ich sie ganz durchgelesen hatte und ich habe mich sehr darüber | ||||||
| 05 | gefreut, daß Sie HE. Eberhard so treflich festzustehen gezwungen | ||||||
| 06 | haben, da er in seinem Magazin so gewaltig viel Wendungen und | ||||||
| 07 | Sprünge macht. | ||||||
| 08 | Vielleicht hat Ihnen das Gerücht schon gesagt, daß der Minister | ||||||
| 09 | von Schulenburg in dessen Hause ich wohne, nicht wie die Zeitungen | ||||||
| 10 | aussagen, am Schlagfluß gestorben ist, sondern sich selbst erschossen | ||||||
| 11 | hat. - Der Staat hat an ihm einen Mann von vielen und treflichen | ||||||
| 12 | Kenntnissen, von ungemeiner Arbeitsamkeit, und ich einen großen Beschützer, | ||||||
| 13 | und was mich noch weit mehr schmerzt, einen Freund verlohren. | ||||||
| 14 | - Ich bin überzeugt, daß es Ihnen nicht unlieb sein wird, | ||||||
| 15 | von diesem Vorfall, der gewiß aller Aufmerksamkeit auf sich gezogen | ||||||
| 16 | hat, näher unterrichtet zu sein, und ich will Ihnen daher einige Umstände | ||||||
| 17 | ausführlich erzählen. - Der verstorbene Minister trat vor ungefähr | ||||||
| 18 | 3 1/2 Iahr an die Stelle seines Verwandten, des Ministers von | ||||||
| 19 | SchulenburgKönern, den man dahin gebracht hatte, daß er um seinen | ||||||
| 20 | Abschied anhalten mußte. Vorher war er Landrath gewesen, und hatte | ||||||
| 21 | sich unter andern durch die trefliche Einrichtung der Feuersocietät für | ||||||
| 22 | das Land berühmt gemacht. Als Minister entwarf er den Plan zur | ||||||
| 23 | MobilmachungsCommission und ward Chef derselben. Zwei Iahr | ||||||
| 24 | existirte dis Collegium schon und zwei Iahr hatte man auch schon an | ||||||
| 25 | einen Plan gearbeitet, welche Einrichtungen man zu treffen habe, im | ||||||
| 26 | Fall die Armee marschiren sollte, aber dieser Plan war wegen der | ||||||
| 27 | großen Verschiedenheit der Meinungen der Mitglieder nicht zu Stande | ||||||
| 28 | gekommen. Plötzlich ward die Vermuthung des Ausrückens der Regimenter | ||||||
| 29 | Gewisheit, und nun ging die Noth des Ministers an. Die | ||||||
| 30 | Cassen waren erschöpft, die Schatzkammer zum Theil leer, Wiederspruch | ||||||
| 31 | fand sich an allen Orten, es herrschte Mangel an Getreide und Fourage | ||||||
| 32 | und dis brachte den Minister zu den gewaltsamen Entschluß. Sie | ||||||
| 33 | werden sich über die angeführten Ursachen wundern und vielleicht ihre | ||||||
| 34 | Richtigkeit in Zweifel ziehen, aber sie sind demungeachtet ganz wahr. | ||||||
| 35 | Der sogenannte eiserne Bestand der Cassen existirte schon längst nicht | ||||||
| 36 | mehr. Unter den Pappieren des Ministers fand sich unter andern | ||||||
| 37 | ein Zettel: An eisernen Bestand - Die Schatzkammer zum | ||||||
| [ Seite 164 ] [ Seite 166 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||