Kant: AA XI, Briefwechsel 1789 , Seite 099 |
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| 01 | nicht mein Herz, oder meine Verhältniße, oder ein Freund oder Lectüre | ||||||
| 02 | mich an den Mann erinnerte, dem ich die Grundlage meines Denkens | ||||||
| 03 | u. meines Glüks auf immer verdanke: der sich mit der gütigsten Theilnehmung | ||||||
| 04 | für meine schuz= u. rath=lose Iugend intereßirte; und noch | ||||||
| 05 | bis iezt, wie ich es aus dem Munde eines meiner Freunde, Herrn | ||||||
| 06 | la Garde mit Erröthen vernahm, nicht aufhört, für mich einige Aufmerksamkeit | ||||||
| 07 | zu haben. Wenn Deutschland seinen Profeßor der Critik | ||||||
| 08 | der reinen Vernunft rühmt: so kan ich hinzusezzen: "und der war mir | ||||||
| 09 | alles dies. " Wie war mir's dann möglich, - undankbar zu seyn? | ||||||
| 10 | Aber muß ich es nicht als eine offenbare Strafe meines Verbrechens | ||||||
| 11 | gegen Sie, ansehen, daß ich mich zu gleicher Zeit eines gewißen | ||||||
| 12 | äußerst=wahrscheinlichen, aber mir selbst und meiner Ehre nur | ||||||
| 13 | desto gefährlichern Rumor's wegen, zu rechtfertigen haben? | ||||||
| 14 | Doch, so unangenehm mir der Gedanke daran allerdings seyn | ||||||
| 15 | muß, wenn die Königsberger=Ideen darüber wahr wären, von woher | ||||||
| 16 | ich neulich leider eine der entsezlichsten Proben gehabt, wie ienes entsezliche | ||||||
| 17 | Gerede aus der Stube des academischen Senats bis zu der | ||||||
| 18 | niedrigsten Pöbel=claße, auf einem mir selbst unbegreiflichen Wege, | ||||||
| 19 | gedrungen: mit so viel Gleichgültigkeit kan ich Ew. Wohlgebornen | ||||||
| 20 | erklären, daß die ganze Sache grade so klein an sich war, als sie | ||||||
| 21 | in Königsberg gros schien: daß sie mich nichts mehr gekostet, als | ||||||
| 22 | die Einhändigung eines Briefes von Herrn de la Veaux, dem unvorsichtigen | ||||||
| 23 | Unterschieber des unseligen Taufscheins, als welcher denselben, | ||||||
| 24 | (da ich um die Zeit des Emfangs des Taufscheins eben auf einer | ||||||
| 25 | Reise nach Potsdamm begriffen war, und ihm die Übermachung | ||||||
| 26 | deßelben an die Behörde, die wegen meiner Ordination äußerst | ||||||
| 27 | dringend, überlaßen hatte, als dem Vertrautesten meiner Freunde, | ||||||
| 28 | den ich dazumalig hatte,) durch eine Unvorsichtigkeit seines Dieners verloren | ||||||
| 29 | oder vielmehr, um das Wahre zu sagen, in die alte Wäsche für | ||||||
| 30 | seine Wäscherin miteingepakt hatte, dann, aus Besorgnis, wegen der | ||||||
| 31 | Verzögerung meiner Ordination, nach dem Exemplar anderer Taufscheine, | ||||||
| 32 | mir eigenhändig einen ausgefertiget, meinem Vater einen | ||||||
| 33 | Character nach Belieben beygelegt, die Pathen diesem Character gemäs | ||||||
| 34 | nachgeschaffen, Iahr und Tag meiner Geburt aufs Gerathe wohl angegeben, | ||||||
| 35 | und so diesen unterschobenen Taufschein versiegelt an HErrn | ||||||
| 36 | Ober=Consistorial=Rath Teller übermacht hatte, in dem vesten Vertrauen, | ||||||
| 37 | wie er selbst es in seinem Schreiben an das Consistorium | ||||||
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