Kant: AA XI, Briefwechsel 1789 , Seite 021 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | gänzlich aufgegeben, so wohl,um alle Ungemächlichkeiten u. Schwierigkeiten, | ||||||
| 02 | die man mir in Berlin machen könnte auszuweichen, als auch, weil ich's | ||||||
| 03 | in anderer Rüksicht für vortheilhafter halte, meine Dissertation in Deutschland | ||||||
| 04 | zu publiciren. Ich bin daher entschloßen in Halle solches zu thun. | ||||||
| 05 | Letzten Dienstag las ich meine Abhandlung in der speculativen | ||||||
| 06 | Gesellschaft: Ueber den Unterschied der synthetischen und analytischen | ||||||
| 07 | Urtheile. Ich lieferte in dieser Abhandlung hauptsächlich | ||||||
| 08 | das, was Sie in der Einleitung zu Ihrer Critik sagen, und machte | ||||||
| 09 | der Gesellschaft mit der Absicht und dem Plan Ihres Werkes bekannt. | ||||||
| 10 | Ich stellte besonders die Frage, wie sind synthetische Urtheile | ||||||
| 11 | a priori möglich? in ihrem auffallendsten Lichte dar. Meine Absicht | ||||||
| 12 | war gleichfalls die Auflösung dieser Frage zu liefern, und also von | ||||||
| 13 | Raum u. Zeit zu sprechen. Ich hatte auch zu diesem Ende es in | ||||||
| 14 | deutscher Sprache für mich ausgearbeitet. Ich verschob aber das Uebersetzen | ||||||
| 15 | ins Englische so lange daß ich damit gar nicht fertig werden | ||||||
| 16 | konnte. Besonders fand ich große Schwierigkeiten just Worte zu finden, | ||||||
| 17 | die Ihren Ideen entsprechen; welches mir um desto schwerer werden | ||||||
| 18 | mußte, da ich noch kein philosophisches Buch im Englischen gelesen | ||||||
| 19 | hatte. Ueberdem glaubte ich auch, daß die Abhandlung für den Zweck | ||||||
| 20 | zu lang werden, und weil der Gegenstand so speculativ ist, die Aufmerksamkeit | ||||||
| 21 | der Höhrer ermüden würde, weil sie nicht im Stande | ||||||
| 22 | wären den Gedankengang zu verfolgen. So weit ich also die Abhandlung | ||||||
| 23 | las, erhielt sie sehr vielen Beyfall. Man bewunderte die Originalität | ||||||
| 24 | des Plans, die Wichtigkeit des Gegenstandes, die ausserordentliche | ||||||
| 25 | Präcision in Bestimmung der Begriffe etc. Aber man bedaurete, | ||||||
| 26 | daß, nachdem ich die Neugierde gereitzt, dieselbe unbefriedigt gelassen; | ||||||
| 27 | da ich nehmlich die Auflösung dieser wichtigen Frage nicht mitgetheilt. | ||||||
| 28 | Man bat mich also einstimmig keine Gelegenheit vorbeygehen zu lassen, | ||||||
| 29 | solche bekannt zu machen. - Die Meinungen des Hume, und besonders | ||||||
| 30 | eines gewissen Hardley (ich weiß nicht ob dieses Buch ins Deutsche | ||||||
| 31 | übersetzt ist) werden so wohl in dieser Gesellschaft, als auch von den | ||||||
| 32 | mehresten Philosophen in Schottland höchst bewundert und vertheidigt. | ||||||
| 33 | Urtheile a priori sind völlig unmöglich nach Hardley, den ich aber | ||||||
| 34 | noch nicht selbst gelesen, sondern ihn nur aus Unterredungen kenne. | ||||||
| 35 | Alle unsere Begriffe beruhen auf Erfindung, Reflexion u. Association etc. | ||||||
| 36 | Alle nothwendige Urtheile zE die mathemetischen sind blos identisch | ||||||
| 37 | zE der Satz 7 + 5 = 12. Daß wenn ich also 7 & 5 sage, so sage | ||||||
| [ Seite 020 ] [ Seite 022 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||